Merkwürdig finde ich an der Sarrazin-Diskussion das Argument, es sei unredlich ihn als öffentliche Person, als Mensch sowie seine Wortwahl anzugreifen. Man müsse sich doch mit den Inhalten auseinandersetzen, sonst werde die Diskussion nie sachlich und konstruktiv. Mit Fakten widerlegen. Sarrazin hat den Finger in die Wunde gelegt. Das alles von Menschen, die mit seinen Thesen ganz und gar nicht übereinstimmen, aber das Thema wichtig finden. Irgendwie. Aus Gründen.
Ich kratze bei dieser Argument immer ein bisschen an meiner Stirn und gehe weiter. Es gibt nahezu 100 Gründe, diese Diskussion NICHT inhaltlich zu führen, sondern Sarrazin als das abzustempeln, was er ist: ein rassistisches Arschloch, das Volksverhetzung mit massenmedialer Unterstützung kultiviert, ich werde dennoch ein paar mehr nennen:
– Rassismus, „Rassen“hygiene, antimuslimischer Rassismus
– Biologismus
– Klassismus
– Ökonomisierung von Menschen
– Xenophobie
– Eugenik
– Reaktionismus
– Repressive Einwanderungs- und „Integrations“politik
– Nationalismus
– Antisemitismus
– Macht, Autorität, Hierarchie
– Hegemonialverhalten (formal wie inhaltlich)
– Propagieren eines monokulturellen Denkens
– Zerstörung von Pluralität, Vielfalt, Freiheit und Gleichheit
– Totalitarismus (formal wie inhaltlich)
(Ergänzungen bitte in die Kommentare).
Die vermeintlich westlichen Werte, die es zu erhalten und zu schützen gilt vor äußeren Einflüssen, werden seit Jahrzehnten konterkariert und aufgelöst. Von autochthonen Bürger_innen der BRD selbst. Ich frage mich dann also zwei Dinge: Sind es wirklich westliche Werte oder sind es westliche Unwerte, die hier gehütet werden sollen und ich frage mich, was man bei Sarrazin inhaltlich finden kann, um eine inhaltliche Debatte zu führen. Aaah, ich hatte die Integrationsprobleme vergessen. Ja ganz wichtig. Aber nicht neu, liebe Mitbürger_innen, wird jedes Jahr mindestens 1x in allen Medien drüber diskutiert. Wie gescheitert das alles ist. Die wollen ja nicht, Ghettobildung, Multikultikacke, Gewalt, Patriarchat, Kopftuch, Islam, Terrorismus, Arbeitslosigkeit. Gähn! Sarrazin dudelt auf der gleichen Platte, die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Deutschland ununterbrochen ihre Runden dreht. Und natürlich fragen wir uns dann in regelmäßigen Abständen, wieso das so ist und warum diese Anderen noch immer so viel Unbehagen bereiten, obwohl sie mittlerweile zur nahezu kompletten Aufgabe ihrer „kulturellen“ wie biografischen Wurzeln gezwungen wurden. Dann gibt es so schöne Programmchen, wie das alles noch besser klappt mit der Integration und trotzdem larmoyanzen wir quer durch den deutschen Gemüsegarten. Was ist nur los?
Man muss nicht mit Sarrazin diskutieren, auch nicht über die Inhalte und Metaebenen, die in seinen Sätzen versteckt sind – man kann ihn brandmarken und verdammen, abstempeln und ablegen und sich einer viel wichtigeren Frage widmen:
Wie bekommen wir die Spiegel wieder sauber?
…
- Rassismus-Analyse des sarrazin’schen Gedankengutes
- Felix Neumann über den Wert politischer Korrekt in der politischen Debattenkultur
- Warum Sarrazin ein kleines Licht ist und die Zielgruppe seines Buches ein lodernder Waldbrand
- Antje Schrupp über den Wert der Meinungsfreiheit in der politischen Debattenkultur
- Robert Misik ausführlich über die Diskussionsunwürdigkeit von rassistischem Gedankengut
- Über Umgang mit Differenz (von mir)
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