Feministische Verhüllungen

Andrea Rödig hat vergangenen Freitag im Freitag einen sehr differenzierten Beitrag zur Burka-Debatte veröffentlicht. Darin erläutert sie die polarisierenden feministischen Diskurse rund um die weibliche Verschleierung der Muslime inklusive Religionskritik/antimuslimischer Rassismus. Wer sich also zu feministischen Standpunkten hinsichtlich dieser Themen informieren möchte, bekommt hier einen ersten Überblick.

Rödig skizziert wunderbar das Dilemma, welches in beiden Positionen steckt, warum beide der Realität nur zu einem gewissen Teil nahe kommen, Lebenswirklichkeit vieler Muslima ignorieren oder subsumieren unter ihre eigentliche Botschaft. Beide Positionen scheinen unvereinbar und geboren zum Dissens. Einen Mittelweg? Für Rödig sähe er so aus: „Wer es schafft, entgegengesetzte Regime gleichzeitig zu verprellen, ist – feministisch gesehen – auf der richtigen Seite.“ Eine feministische Position müsste sich also gegen die Instrumentalisierung und fremdbestimmte Zurichtung des weiblichen Körpers durch verschiedene Akteur_innen aussprechen und zwar zeitgleich.

Wünschenswert. Dazu wäre es jedoch zunächst wichtig, die vielen unterschiedlichen feministischen Positionen zu vereinen, Potenziale verschiedener Strömungen anzuerkennen und in neue Politiken zu überführen. Bevor wir allerdings damit beginnen, hören wir mal auf, Orientalismus fortzuschreiben, wie leider auch Rödig, wenn sie zaghaft formuliert: „Es kann durchaus sein, dass im arabischen Raum ein Widerstand gegen jede Form von Verschleierung die einzig richtige feministische Option wäre. Für Europa ist das – bis auf weiteres – nicht angemessen“.

Theoretische Fundierung gibt es bei Birgit Rommelspacher, die die feministische Debatte um Muslima und Islam kritisch hinterfragt (Download als PDF).


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Kommentare

3 Antworten zu „Feministische Verhüllungen“

  1. heidrun

    interessant, das alles.
    man kann das ganze imho auch darauf zusammenschnurren, dass die burka eine sexistische erfindung ist, bei der eigentlich klar sein sollte, wie man als feministin dazu steht. sie unterscheidet sich deutlich vom kopftuch.
    äußerungen von burkaträgerinnen habe ich nun schon gehört, aber warum hört man nie einen mann, dessen frau burka trägt, sich dazu äußern? schließlich beeinflusst es maßgeblich seinen alltag, wenn seine frau derart eingeschränkt ist (und ich wage aus dem stand zu behaupten, dass die zahl der unverheirateten burkaträgerinnen in europa recht klein ausfallen dürfte.) warum gibt es keine männer, die in burkas herumlaufen, um zu protestieren (was ich, wäre ich ein mann, in frankreich sofort! tun würde)?
    ich trau dem braten nicht, dass es viele frauen gibt, die das ding freiwillig tragen; menschen behaupten schließlich vieles. (ich trau umgekehrt auch leuten nicht, die sagen, sie würden total freiwillig ständig diäten machen und sich schönheits-ops unterziehen und würden da unter keinerlei zwang stehen…)

    dass das verbot in einigen europäischen ländern dennoch dazu dient, islamophobie zu schüren, ist angesichts der zahlen der burka-trägerinnen in europa ebenso klar, genau wie die tatsache, dass dieses verbot niemandem hilft.

    komisch aufgestoßen in dem oben verlinkten text war mir vor allem der einwurf „zumal hier der Schleier oft von Konvertitinnen getragen wird, bei denen zumindest die Begründung, sie seien von ihren Ehemännern gezwungen, kaum zieht.“ – mal wieder die freie selbstbestimmte „westliche“ frau vs. die unterdrückte muslimische? werden ja genug frauen auch „im westen“ von ihren ehemännern zu allerlei gezwungen…

  2. über diese ganzen widersprüche und paradoxien handelt der text von rommelspacher, den ich verlinkt habe. sehr interessant, da er sich auch mit einigen deiner aussagen kritisch auseinandersetzt. grüße

  3. heidrun

    in der tat sehr interessant, konnte ihn aber nur zur hälfte gründlich lesen und den rest überfliegen, werde das bei gelegenheit nachholen.
    allerdings erwähnt der text keine burka. wie ich oben schon, evtl. nicht deutlich genug, sagte: kopftuch und burka unterscheiden sich (für mich und nicht wenige andere) fundamental. zweitere beraubt eine frau (und _nur_ die frau) ihres gesichtes, was jede menge impliziert, vor allem, was soziale interaktion angeht. (sie ist zudem ein zeichen von erzkonservativer religionsauffassung, eine sache, von der ich bei sämtlichen religionen eindeutig kein fan bin. wer den papst nicht leiden kann, der/die kann nur unter großen hirnverrenkungen die burka ok finden).
    in allem anderen kann ich dem text eigentlich nur zustimmen, vor allem in der herausstellung der tatsache, dass eine frau ihre unterdrückung (welcher form auch immer) auch bewusst wählen kann – etwas, das mir auch zu oft vergessen wird.
    und das hier: „Selbst fu?r Frauen, die in ihren Familien Gewalt erfahren haben, gibt es gewichtige Gru?nde, sich dennoch fu?r die Familie zu entscheiden: Sei es, dass ihnen der Familienzusammenhalt wichtiger ist als ihre eigene körperliche Unversehrtheit; sei es, dass sie die Konsequenzen einer anderen Entscheidung wie etwa Isolation, soziale Ächtung oder ökonomische Notlagen mehr fu?rchten als die Gewalt.
    Das bedeutet nicht diesen Frauen zu unterstellen, dass sie nicht unter der Gewalt leiden und ihrnicht unbedingt entkommen wollen. Es bedeutet vielmehr, dass auch noch andere Einflussfaktoren eine solche Entscheidung mitbestimmen. Denn die Freiheit der Frau bemisstsich nicht allein an ihrer Freiheit, eine Entscheidung treffen zu können, sondern auch daran,welche Konsequenzen diese haben und wie weit sie diese selbst mitbestimmen kann.“ sagt das, was ich oben in bezug auf die „freiwilligkeit“ meinte, nur natürlich eindeutig besser formuliert.
    wieder was gelernt. danke. und grüße zurück.

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