Mein letzter Artikel war Anlass für Blogosphären-Liebling Udo Vetter einen eigenen Artikel zu veröffentlichen. Laut diesem Artikel bin ich nur deshalb nicht durchgeknallt, weil ich eine journalistische Ausbildung habe, möchte im Mittelalter leben, den Willkürstaat einführen und die Menschenrechte abschaffen.
Nun, spannend, was alles so in Artikel hineingelesen werden kann. Ich gebe zu, meine Kritik an der Aufklärung, war etwas kurz gefasst, zu polemisch, um allgemein verständlich und nachvollziehbar zu sein. Es sind ja bereits ganze Bücher darüber verfasst worden, warum die Aufklärung zuvor durch Gott legitimierte Ungleichheiten in der Gesellschaft lediglich intellektualisiert umcodiert hat. Kant war ein Rassist, der Schriften über Menschenrassen und die „wilden Ureinwohner“ verfasst hat. Schriften über Weiße als „überlegene Menschen“, die Vorläufer vom Herrenrassenmodell. Das sind Tatsachen. Dass die französische Revolution und der Kampf der Bürgerlichen um Demokratie zunächst einmal nur die Rechte von Männern absicherte, ist auch Tatsache. Das „allgemeine“ Wahlrecht bedeutete das Wahlrecht für Männer, das feministische Bewegungen erst für Frauen erkämpfen mussten. Dass Rassismus eine Legitimationsgrundlage ist, die von den Erben der Aufklärung erfunden und institutionalisiert werden musste, um koloniale Eroberungen trotz Gültigkeit universaler Menschenrechte zu rechtfertigen, das sind ebenfalls Tatsachen. Tatsachen, die zum Allgemeinwissen gehören. Sollten. Auch zu dem von Udo Vetter.
Dass Recht durch Gesellschaft geformt wird, die von Machtverhältnissen durchzogen ist, ist ebenfalls unumstritten. Für Udo Vetter ist Gesellschaft aber offenbar genauso ein abstrakter Begriff wie Rechtsstaat und Willkürstaat, die er gegenüberstellt und die im Text als einziges Argument gegen meine Strukturkritik dienen. Mich verwundert das, ist Vetter doch Jurist. Hier hätte ich mir gewünscht, die Argumentation ginge tiefer, wie es hier und hier passiert ist.
Als Strafverteidiger muss Vetter ja nicht die Prozeduren in der Verfolgung von Sexualdelikten kennen, er muss sich auch nicht mit der Kritik daran auseinandersetzen, wenn es nicht das Feld ist, auf dem er arbeitet.
Und natürlich weiß ein Udo Vetter das auch, denn zur Kritik und zur Strafverfolung von Sexualdelikten selbst erfahren wir in seinem Artikel nichts. Auch mit dem oben zitierten Allgemeinwissen hält er hinterm Berg: Aufklärung und Rechtsstaatlichkeit sind unumstößliche Wahrheiten und Errungenschaften der westlichen Hemisphäre. Natürlich hat die Aufklärung auch was Gutes gebracht: Dass es Menschen wie Udo Vetter im hiesigen System blendend geht, weshalb es auch eine Unverfrorenheit darstellt, wenn seine Selbstverständlichkeiten in Frage gestellt werden. Und dass solche uninformierten und selbstgefälligen Artikel auf Kosten anderer, die Sexismus, Beleidigungen und reaktionäres Gewäsch (gepaart mit reichlich Islamophobie) in Hülle und Fülle generieren, durch die Meinungsfreiheit gedeckt ist.
Der Rotz, der Ihr Leben lebenswert macht, Herr Vetter.
edit: ich muss mich korrigieren. Offenbar hat sich Udo Vetter schon mit Vergewaltigungsprozessen beschäftigt. Angeklagte haben also vor Gericht weniger Macht als Ankläger_innen, die Richter_innen glauben immer dem mutmaßlichen Opfer und es sei besser Schuldige freizusprechen, als Unschuldige in den Knast zu schicken. Diese Aussagen hätte ich gern im Kontext „Realität“ gespiegelt. Weiterführende Links oben und im Ursprungstext.
Kommentare
3 Antworten zu „Manosphere, Udo Vetter und die Aufklärung.“
[…] von Piratenweib TweetIn der aktuellen Diskussion um Strauss-Kahn, den Rotz von Udo Vetter und die Medienelite, fand ich einen herausragenden Kommentar zum Rant von Vetter eben dort. Ich erlaube mir diesen […]
[…] wenig geriet in der Auseinandersetzung von Udo Vetter und Nadine Lantzsch der ursprünglich zentrale Punkt Nadines aus den Augen: Unser Rechtssystem, wie das vieler anderer […]
[…] Manosphere, Udo Vetter und die Aufklärung (medienelite/13.07.2011) […]