Seit nun mehr als einem Jahr, vielleicht auch zwei, schreibe ich über meine Erfahrungen mit Homosexualität, Homophobie, Heterosexismus, Sexismus und Chauvinismus. Mal mehr, mal weniger reflektiert, mal kurz, mal lang, mal wütend, mal polemisch oder – eher selten – hoch erfreut.
Die Geschichte meiner persönlichen Diskriminierungserfahrungen reicht bis in meine Coming-Out-Phase zurück, das war vor sieben Jahren. Meine offen gelebte Homosexualität begann nicht gerade ersprießlich. Danach würde sich meine homosexuelle Biografie, hätte sie je eine_r aufgeschrieben, auch nicht viel besser lesen. Meine regelmäßigen Leser_innen wissen, das Leben als Lesbe ist nicht leicht, das Leben als lesbisches Paar noch viel weniger.
Ich habe mittlerweile etwa drei Phasen im Umgang mit Diskriminierung durchlebt: 1. völlige Ignoranz aus Unbedarftheit (wir sind ja post und so), 2. Rückzug in die Opferrolle, 3. Aufbegehren. Sicherlich gibt es noch mehr Stadien und ich gehöre aufgrund meines Daseins als autochthone weißen Deutsche noch zu denen, die sich glücklich schätzen dürfen, nur wegen zwei (zugeschriebenen) Identitäten ausgegrenzt und diffamiert zu werden. (Mein Dasein als Feministin nicht mitgezählt).
Besonders die dritte Phase hat mir viel Kraft und Mut gegeben, mich relativ selbstsicher in unterschiedlichen Kontexten zu bewegen und relativ offen mit meiner Homosexualität umzugehen. Dabei geholfen hat mir der Austausch mit meinen Freunden und den tollen Menschen, die mir das Netz irgendwann zugespült hat. Danke an dieser Stelle.
Als ich vor kurzem mit meiner Freundin über einen unsäglichen Modelesben-Artikel (don’t ask!) diskutierte, spürte ich dennoch einen merkwürdigen Impuls: Ich wollte allen hauptsächlich Privilegierten mal so richtig ans Bein pissen. Sie vollbrüllen und ihnen die Fresse polieren, allen den Stinkefinger zeigen, die sich normkonform verhalten können und nicht müssen, die freiwillig aus dieser Norm heraustreten können, ohne Gefahr zu laufen ausgegrenzt zu werden, die sich die Codes und Markierungen dominierter Gruppen aneignen können, weil sie privilegiert sind und eben aus diesem Grund auch wieder ablegen können. Ich wollte aufschreien gegen diese Aneignung, weil sie, wenn sie durch Privilegierte passiert, Normen, die mein Leben nachhaltig einschränken, reproduziert und festschreibt. Implizit und explizit. Normen wie Strukturen stehen schließlich nicht unabhängig neben den Individuen, die in ihnen agieren (müssen). Beide sind Partner_innen in einem System, das minütlich Ungleichheit schafft und über diese herrscht.
Als halbwegs reflektierter Mensch weiß ich, dass ich ebenfalls Teil dieses Systems bin und ebenfalls herrsche, auch wenn ich zeitgleich dominiert werde. Ich kann mich also noch so sehr in meine Opferrolle zurückziehen, irgendwer wird früher oder später kommen, die Taschenlampe anschalten und sie auf mich richten. Dann werde ich gerichtet. Und damit weiterhin zugerichtet in einem System von komplexen Zusammenhängen, aus dem ich nur selten ausbrechen kann. Das ist mein rationales Verständnis und die Konsequenz meiner Gedanken, wenn ich das, was ich hier aufschreibe, fortführe. Das, wozu ich stehen muss, will ich nicht der Bigotterie zum Opfer fallen. Dass ich zu diesem Verständnis gekommen bin, ist der Auseinandersetzung mit Diskriminierung zu verdanken.
Als Kämpferin gegen Unterdrückung (Pathos galore!) sehe ich mich permanent in einer Rechtfertigungsposition, weil Privilegierte diese Unterdrückung meistens nicht sehen und deshalb meinen Kampf nicht verstehen (wollen) oder ihm gar seine Daseinsberechtigung absprechen. Das fängt beim gender_gap an und hört bei Sexismus auf. Wenn ich selbst meine Privilegien in Anspruch nehme, werden sie mir von anderen Privilegierten mit dem Verweis auf meine dadurch entstehende Unredlichkeit wieder aberkannt. Privilegierte bestimmen so letztlich über den Inhalt hegemonialer Diskurse. Ihre Macht ist hegemonial abgesichert. Das wissen allerdings nur wenige, was ihre Kritikfähigkeit stark einschränkt. Es gibt keinen hegemonialen Diskurs darüber, dass Diskriminierung allzeit und überall für den Arsch ist. Nein, Diskriminierung selbst ist hegemonial abgesichert, Rassismus, Sexismus und alle anderen Formen der Herrschaft sind somit legitim.
Wenn ich nun mal wieder kämpfe und einige mir das Recht zu sprechen absprechen, ist das nicht minder diskriminierend als ungefragt an den Arsch gegangen zu werden, weil beide Handlungen mich auf den Platz verweisen, den mir die Gesellschaft als lesbische Frau zugewiesen hat. Diese Form der Unterdrückung ist für mich manchmal so allgegenwärtig und unabänderlich, dass ich nicht weiß wohin mit meiner Wut. Meistens schreibe ich sie in dieses Blog oder verweise sie auf den Platz, den ihr mein Gemüt zugewiesen hat.
Denn es gibt wesentlich schönere Dinge im Leben als wütend zu sein und sich unterdrückt zu fühlen. Ich verspüre nur selten Lust, mir meine Gestaltungsmacht von ein paar Arschlöchern und Arschlochnormen nehmen zu lassen. Und dennoch komme ich immer wieder unweigerlich an den Punkt, über den ich nicht hinaustreten kann, weil diese beschissene Norm auch ihre Grenzen hat. Das ist wichtig, dass ich mir in unregelmäßigen Abständen vor Augen führe, damit ich nicht noch irgendwann auf die Idee komme, wir lebten in einer Welt der Chancengerechtigkeit und es gäbe nichts mehr zu tun.
Doch diese Erkenntnis ist schmerzhaft. Sie holt all die Scheiße raus, die sich in mir über sieben Jahre hinweg angesammelt hat. Diskriminierung ist eine traumatische Erfahrung mit zum Teil schwerwiegenden psychologischen und psychosomatischen Folgen. Nicht ohne Grund bringen sich Dominierte häufiger um als Mitglieder der Dominanzgesellschaft (Erst kürzlich fast ein Dutzend homosexuelle Teenager in den USA – innerhalb eines Monats!).
Ich muss also auf mich aufpassen. Auch das weiß ich. Aber manchmal will ich einfach nicht vorsichtig sein. Dann setze ich mich auf mein Bett und weine. Den Eimer voll Scheiße leeren.
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