Morgen beginnt die Berlinale. Der neue Film von Roman Polanski wird gezeigt, die Darsteller werden da sein. Nur Polanski nicht. Der sitzt mit Fußfessel in seinem Schweizer Anwesen, weil er vor rund 30 Jahren eine 13-Jährige mit Drogen und Alkohol gefügig machte, sie stundenlang missbrauchte, das darauffolgende Verfahren als unzulässig erklärt wurde, Polanski aus den USA flüchtete und vor einiger Zeit entschieden wurde, das Verfahren neu aufzurollen.
Für Polanski setzen sich seit der „Fußfessel“ viele (deutsche) Stars ein und fordern seine Freilassung aus der Untersuchungshaft und drängen auf die Einhaltung der Verjährungsfristen. Medien hierzulande sind sich uneinig über die Verwendung der Begriffe Vergewaltigung, Missbrauch, „zum Sex gedrängt“ sowie über das Bild, das sie von Polanski zeichnen. Es ist auch von Sex, Drugs and Rock’n’Roll die Rede.
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Vor wenigen Wochen erfuhr die breite Öffentlichkeit vom jahrelangen Missbrauch in den 70ern und 80ern am Canisius-Kolleg in Berlin. Auch an anderen jesuitischen Schulen in Hamburg und Baden-Württemberg sollen dieselben Padres sich wieder an Jungen vergangen haben. Der Orden schwieg, die katholische Kirche hielt die Sache unter Verschluss.
Seit Bekanntwerden der Missbrauchsfälle ist eine neuerliche Debatte über die katholische Kirche, das Zölibat, Pädophile und Homosexuelle in Gang gekommen. Eine wichtige Meldung nach wenigen Tagen war, dass noch unklar sei, ob die Verjährungsfrist in diesen Fällen gelte. Man wolle der Sache zügig nachgehen.
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In ihren Texten singen Sido, Bushido, Frauenarzt, B-Tight & Co. u.a. von Fotzen und Vergewaltigung und scheiß Schwuchteln.
Sie führen ein bürgerliches Leben, verdienen sehr viel Geld, werden oft zu Talkrunden und in andere Shows eingeladen, sind Lieblinge der Mainstreampresse und setzen sich u.a. für Jugendliche mit Migrationshintergrund in Problembezirken ein.
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Peter Scholl-Latours aktuelles Buch „Die Angst des weißen Mannes. Ein Abgesang“ rangiert in der Spiegel-Bestsellerliste auf den vorderen zehn Plätzen. In dem Buch ist u.a. von Rassen, fernen Ländern, exportierten Werten des weißen Mannes wie Demokratie und Menschenrechte (von denen nichts bleiben wird) und hässlichen Inselfrauen die Rede.
Keines der rezensierenden Medien nimmt die Worte Rassismus und Sexismus in den Mund.
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„Der Islam“, Minarettverbot, Karikaturen, Terrorismus
Studien finden heraus, dass antisemitische Haltungen in Deutschland zunehmen. Hauptsächlich unter Menschen mit arabischem oder türkischem Hintergrund.
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Linksextremismus
Sogenannte Extremismusforscher glauben, dass Deutschland und seine demokratischen Wertvorstellungen vom aufkeimenden „linken Terror“ erodiert werden. Auf Demonstrationen der NPD und rechtsextremen Gruppierungen, bei denen Menschen, Linke, Alternative, Punks, Antifas und Autonome als Gegendemonstranten in Erscheinung treten und u.a. mit Sitzblockaden einen „reibungslosen“ Ablauf der Nazi-Demos verhindern wollen, geht die Polizei gegen diese mit besonderer Härte vor. In Berlin werden 2009 weit über 300 Pkw in Brand gesteckt. Nicht immer handelt es sich um Luxuswagen. Immer handelt es sich um eine linksextremistische Straftat. Die TäterInnen werden trotz intensiver Polizeiarbeit nur selten bis gar nicht ermittelt. Die Berichterstattung über Rechtsextremismus nimmt ab. Rassimus und gruppenbezogene Fremdenfeindlichkeit werden gar nicht thematisiert.
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Familienministerin Kristina Köhler richtet am BMFSFJ eine Abteilung ein, die sich um die Gleichberechtigung und Gleichbehandlung von Jungen und Männern kümmern soll.
Eine aktuelle Studie des DIW hat ergeben, dass 2,5 Prozent aller Vorstandsmitglieder der 200 größten Unternehmen Deutschlands (ohne Finanzsektor) Frauen sind. Berufstätige Männer verdienen etwa 20 Prozent mehr als berufstätige Frauen (bei gleicher Tätigkeit und Position).
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Familienministerin Köhler plädiert weiterhin für die Einführung eines Betreuungsgeldes, das Eltern monatlich gezahlt werden soll, die ihr Kind nicht in eine Kita schicken.
In Deutschland gibt es nach wie vor zu wenige Kita-Plätze. Mehr Frauen als Männer arbeiten in Teilzeit, u.a. nach einer Schwangerschaft. Etwa 20 Prozent der Väter nehmen für etwa zwei Monate so genannte Elternzeit. Mütter bleiben im Durchschnitt sechs bis zwölf Monate in der „Babypause“.
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Homosexuelle, die in eingetragener Lebenspartnerschaft („Homo-Ehe“) leben, dürfen nicht zusammen mit ihrem Partner/ihrer Partnerin ein Kind adoptieren. Der Gesetzgeber erlaubt außerdem keine reguläre künstliche Befruchtung. Ein Pflegekind wird einem gleichgeschlechtlichen Paar nur selten zugeteilt.
Ehe und Familie genießen im Grundgesetz besonderen Schutz.
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Menschen mit türkisch oder arabisch klingendem Namen haben bei Bewerbungen (ohne Foto) nachweislich weniger Chancen, eine Stelle zu bekommen, als Menschen mit deutschem Namen.
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) arbeitet seit ihrer Einrichtung 2006 nicht wie im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vorgeschrieben mit NGOs, Verbänden und Projekten zusammen, von denen einzelne namhafte Vertreter im Beirat der ADS sitzen. Seit der Bundestagswahl im September 2009 ist die Leitungsstelle der ADS unbesetzt. Gegen die zunächst feststehende Nachfolgerin, die wie ihre Vorgängerin Martina Köppen keine Erfahrung in der Antidiskriminierungsarbeit vorweisen kann, hatte eine weitere Bewerberin auf den Posten wegen Verstoßes gegen das AGG geklagt. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz kennen etwa 30 Prozent aller deutschen BürgerInnen. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist für die Bekanntmachung des AGG verantwortlich. Staatliche und nichtstaatliche Antidiskriminierungsverbände, die u.a. (rechts-)beratend tätig sind, melden eine steigende Zahl von Diskriminierungsopfern. Rassismus und rassistische Übergriffe werden nach wie vor von Medien, Staat und Öffentlichkeit unter Rechtsextremismus subsumiert.
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