Institutionelle Diskriminierung

Das Konzept der institutionellen Diskriminierung widerspricht der Annahme, dass Diskriminierung vorrangig als Resultat von Vorurteilen einzelner Personen oder Gruppen gegenüber „den Anderen“ erklärt werden kann. Es begreift Diskriminierungsmuster zudem nicht in der Artikulation von (körperlicher) Gewalt oder verbalen Anfeindungen gegen Marginalisierte, sondern beschreibt das Phänomen vor allem als institutionell verankertes Exklusionsmuster, dass die Gesellschaft tiefgreifend strukturiert und differenziert.

Das Konzept der institutionellen Diskriminierung schaut hinter die rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen, die das Setting darstellen, in dem sich Individuen und Gruppen innerhalb einer Gesellschaft bewegen (können) und untersucht diese nach diskriminierenden oder benachteiligenden Mustern, Strategien, Handlungen, Praktiken, Diskursen und Normen, etc.

Darüber hinaus gilt es herauszufinden, wer/welche durch die institutionelle Einbettung herrschender Dominanzverhältnisse profitiert/profitieren, wer/welche im Besitz von Privilegien ist/sind und an welchen Stellen sich diese reproduzieren und verfestigen. Das Konzept der institutionellen Diskriminierung konzentriert sich also im Wesentlichen auf Mechanismen und Effekte strukturell verankerter Differenzachsen und Machtverhältnisse.

Dabei ist es irrelevant, ob die einzelnen Repräsentant_innen und Akteur_innen dieses Settings selbst diskriminierende Absichten oder Einstellungen pflegen. Diskriminierung wird mit diesem Konzept als sozialer Prozess (und nicht: Interaktion) begriffen, der die strukturellen Dimensionen in den Blick nimmt.

Die Verantwortung für soziale Ungleichheit wird somit vom Individuum auf die Gesamtgesellschaft übertragen. Vielfältige Erscheinungsformen sozialer Ungleichheit und Herrschaft, die den Zugang und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und Ressourcen erschweren, werden so sichtbar(er).

nach Gomolla (2010): Institutionelle Diskriminierung. Neue Zugänge zu einem alten Problem, in: Hormel/Scherr (Hrsg.): Diskriminierung. Grundlagen und Forschungsergebnisse, Wiesbaden: 61-94.

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Kommentare

5 Antworten zu „Institutionelle Diskriminierung“

  1. Ist das nicht ein alter Wein in neuen Schläuchen? Bordieus „Kulturelles Kapital“ besagt doch genau das gleiche, oder?

  2. Lantzschi

    Hm?

    Das oben vorgestellte Konzept ist so alt, da konnte Bourdieu noch nicht mal einen geraden Satz schreiben.

  3. Das wiederum wusste ich nicht. Danke.

  4. Das war natürlich übertrieben :) Das Konzept entstammt der Civil-Rights-Bewegung der USA und die war bekanntlich lange vor Bourdieus Erstlingswerken und kommt aus einem anderen Wissenschaftszweig.

    Wikipedia bietet einen ersten, wenn auch nicht hinreichenden Überblick. http://de.wikipedia.org/wiki/Institutionelle_Diskriminierung

    In Deutschland wird mit dem Konzept häufig im Bildungswesen gearbeitet, um Unterschiede von Migrant_innen und weißen Biodeutschen zu erklären, kann aber auch weitere Verwendung im Bereich des Arbeitsmarktes, Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, etc. finden.

    Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz nennt dies mittelbare Diskriminierung. Beispiel: Wenn Menschen mit Muttersprache Deutsch für einen Job gesucht werden, diskriminiert das zunächst keine bestimmte Gruppe, die im Grundgesetz unter besonderem Schutz steht, weil das Merkmal Sprache dort nicht aufgeführt ist, wir wisssen aber alle, dass Muttersprache Deutsch bestimmte Gruppen ausschließt. Und eben das sind strukturell verankerte Diskriminierungen.

    Oder dass in Artikel 3 GG zunächst nur von Männern und Frauen die Rede ist, auf deren Gleichberechtigung hingearbeitet werden soll…

  5. Yeah Yeah Yeah Yeah! Danke für die Zusammenfassung. Ich versuche im Moment all die Theorien welche in meinem Kopf schwammig umherschwimmen zu bündeln und fassbar zu machen. Hip-Hip-Hurra, hier gibt es mal Theorie pur. Danke. Wird sogleich in meinem Kopf und meinem Blog verlinkt.

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