Gastbeitrag: „Ihr durchtriebenen, miesen Fotzen!“

Disclaimer: Anna von der Mädchenmannschaft hat diesen Text geschrieben und erlaubt es, ihn mit Hinweis auf Autorin und Backlink auch aufs eigene Blog zu stellen. Also bedient euch, verlinkt, schreibt eure eigenen Gedanken auf. Egal. Spread The Word!!!

Ich seufze und drücke „löschen“. Es ist kurz nach Mitternacht und eigentlich wollte ich gerade ins Bett gehen. Das muss jetzt aber noch einen Moment warten, denn inzwischen weiß ich: wo ein Fotzen-Kommentar ist, da lauern auch noch andere und gerade zu nächtlicher Stunde fallen die Hemmungen besonders schnell.

Als ich begann, im Internet feministische Texte zu veröffentlichen, war mir nicht klar, welch offener Hass Frauen und Feministinnen im Netz an manchen Stellen entgegen schlägt. Dabei gibt es natürlich immer wieder Kommentare, die nichts weiter als Herumgetrolle sind, das wirklich keinen weiteren Hintergrund hat.

Die meisten dieser Beiträge jedoch sind klar feminismus- und frauenfeindlich motiviert (das eine lässt sich da nicht mehr so leicht vom anderen trennen). Sie lassen sich grob in drei verschiedene Typen unterteilen:

Da wäre der einzelne Irre. Dieser stößt oft eher zufällig auf feministische Seiten und Blogs und versucht seiner ganzen aufgestauten Wut in einem deftigen Kommentar Raum zu geben. Meist gelingt ihm das nur mit wüsten Schimpfwörtern, manchmal sind auch nur relativ harmlose Einwürfe wie „geht kochen“ oder „macht euch doch mal locker“. In diese Kategorie würde ich auch den Klassiker „ihr gehört einfach mal wieder ordentlich durchgebumst“ einordnen. Diesen hielt ich persönlich übrigens lange für eine altfeministische Saga, bis er mir tatsächlich selber im Rahmen einer Diskussion in einer Community das erste Mal begegnete. Man muss also nicht unbedingt auf einer explizit feministischen Plattform schreiben, um solchen Sprüchen ausgesetzt zu werden – das reine Äußern gleichberechtigter Gedanken reicht völlig aus, um bei manchen Menschen einen Schalter umzulegen.

Neben dem einzelnen Irren gibt es den Typ, der sich ein bisschen mehr Zeit lässt. Auch er hat sich natürlich überhaupt nicht mit der jeweiligen Seite, den Autor_innen und Beiträgen dort beschäftigt, aber immerhin bringt er Argumente mit. Oder das, was er dafür hält. Diese werden dann willkürlich unter irgendwelche Texte platziert. Viele dieser Kommentatoren haben anscheinend wirklich die Hoffnung, sämtliche Feministinnen mit nur drei Zeilen überzeugen zu können, dass sie mit allem, was sie schreiben und denken völlig falsch liegen. Solche Kommentare sehen meistens ungefähr so aus: „Männer haben übrigens eine geringere Lebenserwartung als Frauen!! Denkt da mal drüber nach!!11!“. Manchmal wird das ganze noch mit einem Nick wie „Fotzenprotz“ oder „Frauenfeind“ kombiniert.

Als letzter Kommentartyp ist der zu nennen, der sich wirklich Zeit nimmt. Meist hat er den Text sogar gelesen und versucht, mit seinem Kommentar einen Bezug dazu herzustellen. Letztendlich handelt es sich hier aber nur um eine Erweiterung des zweiten Kommentartypen, es wird also versucht, mit mal mehr mal weniger aus dem Zusammenhang gerissenen Zahlen und Fakten zu verdeutlichen, dass Feminismus grundsätzlich falsch und gefährlich ist.

Wie erwähnt, war ich zu Beginn meiner Arbeit als Bloggerin wirklich schockiert über den blinden Hass, die große Wut, die aus vielen Kommentaren sprach. Mir war nicht klar, welche Bedrohung von Feminist_innen nach wie vor auszugehen scheint. Die meisten dieser Kommentatoren sind allerdings eigentlich nichts anderes als Angstbeißer. Sie fühlen sich vom Feminismus, von Genderthemen generell, unglaublich beunruhigt, ja, gar terrorisiert. Ein Blick in die entsprechenden Foren bestätigt diesen Eindruck. Vieles von dem, was es da zu lesen gibt, lässt einem wirklich ab und an den Atem stocken.

Die meisten Kommentatoren dort sind Anhänger der These einer großen, allumspannenden feministischen Weltverschwörung. Der Feminismus gilt in diesen Kreisen als nicht weniger als ein faschistoides Konstrukt, das kein geringeres Ziel hat, als die gesamte Macht in die Hand der Frauen (und „sexuell desorientierter Homos“) zu legen und die Männer finanziell auszunehmen, zu entmachten, zu erniedrigen und schließlich zu beseitigen. Nein, ich übertreibe nicht. Die Gleichsetzung von Feministinnen mit Nazis und Männern mit Juden ist in solchen Foren Alltag und wird auch meist durch keine Netiquette geahndet. Vor diesem Hintergrund muss man sich schon fast nicht mehr wundern, wenn diese Leute dann Kommentare wie „diese elenden Feministinnen sollte man in einen Rattenkäfig sperren und den Mund zutackern“ hinterlassen.

Die Schreiber schließen von sich auf andere: Da sie Frauen und Feministinnen abgrundtief hassen und sie für jedes Übel dieser Welt verantwortlich machen („ihr habt alles kaputt gemacht!“) gehen sie davon aus, dass es umgekehrt genauso sein muss. Weil sie alle Feministinnen und wohl auch generell einen Großteil der Frauen lieber gestern als morgen „beseitigt“ sehen würden, nehmen sie an, dass auf der „Gegenseite“ die Feministinnen von „Gulags für die Untermenschen“ (also Männer) träumen. Und so verschanzen sie sich feige hinter ihren Nicks und nutzen die Gelegenheit, endlich all den Hass und Frust, den sie in sich tragen loszuwerden, während sie wahrscheinlich im echten Leben kaum den Mut aufbringen, einer Frau auch nur aufrecht in die Augen zu schauen.

Wie geht man mit so einem Hass um? Wie gehe ich als Privatperson damit um, wie gehen wir als Blogbetreiber_innen damit um? Ist es überhaupt sinnvoll, Beiträge wie „Frauen sind wie Hündinnen – die lassen sich nämlich auch mal gern von hinten ficken“ kommentarlos zu löschen? Wäre es nicht vielleicht doch sinnvoller, offensiver damit umzugehen? Was ist die richtige Art, so etwas zu begegnen? Wie reagieren andere Blogs oder Feminist_innen, die in der Öffentlichkeit stehen, darauf? Gibt es ihn überhaupt, den einen richtigen Weg?

Nein, eine wirkliche Lösung scheint es nicht zu geben. Allerdings sollten all die Hasskommentatoren daran denken, dass auch das Internet kein rechtsfreier Raum ist. Eine Beleidigung bleibt auch online eine Beleidigung und kann angezeigt und strafrechtlich verfolgt werden (von den gerade wieder aktuellen Morddrohungen gegen einige Feministinnen mal ganz zu schweigen).

Und abgesehen davon: Glauben diese Kommentatoren wirklich, dass sie ihren Zielen irgendwie näher kommen, indem sie ab und an ein paar Feministinnen beschimpfen? Ihnen scheint nicht klar zu sein, dass genau das Gegenteil der Fall ist: Mit jedem Kommentar, den sie hinterlassen, mit jedem Hinweis auf PMS oder Untervögelung werde ich mehr darin bestärkt, Feministin zu sein. Mit jeder „Fotze“, die wir löschen, werden wir ermuntert, weiterhin laut und deutlich für die Gleichberechtigung aufzustehen – und uns dabei auch nicht feige hinter anonymen Nicks zu verstecken.

Mehr zum Thema auf Medienelite: Halt den Ball flach, Schlampe!


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14 Antworten zu „Gastbeitrag: „Ihr durchtriebenen, miesen Fotzen!““

  1. Frustbeleidigungskommentare gehen nicht und dass es schlimm ist, wusste ich. Dass es so schlimm ist wusste ich nicht. Was das objektive Betrachten dieses Themas für mich schwer macht, ist diese verklemmte als Gleichberechtigung getarnte sprachliche Neutralität. Ich schreibe deswegen keine Hasskommentare, aber glaubst du wirklich, dass durch Binnen-I, die Nennung beider „Geschlechter“ oder die Vernichtung selbiger in grammatikalischen Apokalypsen wie „Studierende“ ein Bewusstsein für die Gleichbehandlung entsteht?
    Es mögen Kleinigkeiten sein, aber die machen die Position nicht gerade einladender.

  2. Sprachliche Apokalypse ist hier lediglich dein Kommentar. Deine Meinung zu gendergerechten Sprache kenne ich ja nun zur Genüge und hat mit diesem Thema hier absolut gar nichts zu tun. Also bitte beim Thema bleiben.

  3. claude hörnchen

    Beim dritten Typ musste ich an die „AG Männer“ im Forum der Piratenpartei denken, das ich mir am Wochenende versucht habe ansatzweise durchzulesen ohne zu kotzen. Im Internet scheinen ja bekanntlich alle Hemmschwellen zu fallen.

    Wahrscheinlich muss das Beleidigen von Feministinnen und Frauen übers Internet irgendetwas Befriedigendes haben, je hasserfüllter, um so mehr – anders kann ich mir das auch nicht erklären.

  4. A. B.

    @Schnaps Das -Innen et cetera soll ja nicht das Bewusstsein über Nacht ändern.

    Im spanischsprachigen Raum hat sich in den letzten Jahrzehnten bei Berufsbezeichnungen und Titeln durchgesetzt, auch weibliche Formen zu benutzen, zum Beispiel la ministro, la médica.
    An Anfang, in den Neunzigern, fanden viele das affig, inzwischen denkt niermand mehr darüber nach: es ist jetzt ganz normal.

    @Lantzschi Tatsächlich ist das Flaming im Internet eine Seuche, mit der diese Leute aus ihrer vermeintlichen Anonymität heraus ihren Frust über Anderen auskippen, allerdings überlege ich, ob man diese geschriebenen Anfälle nicht zu Dokumentationszwecken aufheben sollte… sonst glaubt es hinterher wieder keiner.

  5. A. B.

    Lapsus freudianus oder so: Es muss natürlich la ministrA heissen!

  6. Y

    Ich könnte mir vorstellen, dass solche Kommentare (wie auch ein großer Teil des Antifeminismus) einfach aus der Unsicherheit der eigenen Position in einer solchen Strömung entstehen. Wenn von Feminismus die Rede ist, denkt der Durchschnittsmensch an Stärkung von Frauenrechten und einzelne Männerhasserinnen. Wie die Rolle von Männern in einer feministischen Weltsicht aussieht, wird der Öffentlichkeit so gut wie nie kommuniziert. Das schürt Existenzängste durch einen erstarkenden Feminismus bei Männern – „Wenn die alles selbst machen, wofür brauchen die uns dann noch?“.

    Und dank Schubladendenken sind eh alle Feministen gleich, deshalb kann man seinen Frust über das Thema in einem beliebigen Blog/Forum, der/das gerade thematisch einigermaßen passt, ablassen…

  7. A. B.

    “Wenn die alles selbst machen, wofür brauchen die uns dann noch?”.

    Gute Frage… wenn diese existenzängstlichen Männer ihre Zeit in Persönlichkeitsbildung investiert hätten, kämen sie gar nicht auf die Idee, so etwas zu fragen (siehe mein Standpunkt zum Männerkongress)

    That’s what I say.

    Es jammern ja logischerweise immer genau die, die in Schwierigkeiten stecken, hüben wie drüben, es gibt ja zum Glück noch die Frauen und Männer, die über solche Probleme nur die Köpfe schütteln!

  8. @Y: Ich habe aus deinem Kommentar zwei Sätze gelöscht, die absolut überflüssig waren. Erstens: Auf meinem Blog dulde ich keine dumpfe Weiterverbreitung von Klischeedenke, auch wenn sie „absichtlich übertrieben“ ist und deine Argumentation stützen soll. Das geht auch ohne.

    Zweitens: Egal welche AusreißerInnen es heutzutage noch gibt, sie sind kein Grund dafür herzuhalten, dass über FeministInnen und Frauen Hasstiraden verfasst werden und sie mit dämlichen Kommentaren rechnen müssen, die ihre Themen verleugnen. Ich würde mir wünschen, wenn wir eines Tages an den Punkt kämen, mal die Verantwortlichkeit bei den Verantwortlichen zu suchen, statt „Opfern“ vorzuschreiben, wie sie sich besser verhalten könnten.

  9. Y

    @lantzschi:
    Ich wollte mit meinem Post versuchen, eine Erklärung zu finden, wieso letztlich so viele Männer Feminismus ablehnen.
    Die Ursachen dafür zeigen. Die ich in einer falschen Berichterstattung bzw. falschen oder schlecht durchdachten Außendarstellung von Feminismus sehe – nicht im Feminismus selber.
    Ich wollte die Anregung geben, dass Feminismus mehr auf seine Außendarstellung achten sollte, damit er durch sie nicht falsch verstanden wird/werden kann.

    Die AusreißerInnen mögen für dich kein Grund sein, Hasstiraden über Feminismus zu fabrizieren – für viele Männer sind sie es eben, weil sie sich angegriffen fühlen und meinen, darauf antworten zu müssen – und das in unangemessenster Form.
    (Was nicht bedeuten soll, dass ich genauso denke wie „viele Männer“, nur um das mal eindeutig klarzustellen)

    Ich will keine Klischeedenke verbreiten. Ich will sie analysieren, um ihr entgegenwirken zu können. Das scheint untergegangen zu sein.

    Und deinen letzten Satz kann ich so unkommentiert unterschreiben.

  10. @Y: begehst aber gleich denselben Fehler! Wieso müssen Feministinnen auf ihre außenwirkung achten, nur weil es Ausreißer gibt, die sich weiter von feministischer denke befinden, als der maskulismus? Verhältnismäßigkeit ist das nicht

  11. Y

    Wie wär’s, wenn sich Feminismus mal ausdrücklich von solchen Ausreißern distanziert? So als Anfang.
    (Natürlich wird das getan, aber eben nicht gegenüber der breiten Öffentlichkeit, die eben immer noch zu weiten Teilen glaubt, Männerhasserinnen würden feministische Denke vertreten)

    Und auf seine Außenwirkung zu achten ist nunmal das A und O, wenn man gesellschaftlich was erreichen will.
    Wenn mäßig am Thema Interessierte abgeschreckt werden durch falsche Außendarstellung, ist das schlecht.
    Wenn in ihnen durch gute Außendarstellung, die die Kernthesen anständig rüberbringt, Interesse geweckt wird, sodass sie sich am Thema beteiligen und sich engagieren, ist das gut. Oder nicht?

  12. ich verstehe, was du sagen willst.

    ich glaube nicht, dass sich feminismus bzw. feministInnen von solchen ausreißerInnen distanzieren muss, weil diese mit feminismus nun mal nichts am hut haben. möchtest du dich für deinen nachbar entschuldigen, der einen anderen nachbar beklaut hat?

    ein anderes beispiel: ich verlange auch von keinem mann, sich von frauenhassern zu distanzieren bzw. schließe von frauenhassern nicht auf alle männer. alles eine frage der perspektive. ich glaube daran, dass jeder mensch, der von ausreißerInnen auf den feminismus als solches schließt, generell feminismus ablehnt, weil er/sie nicht bereit ist, diese „splitterer“ differenziert von feminismus zu betrachten.

    und selbst angenommen, es gäbe diese ausreißerInnen nicht, hätten viele menschen viele zum teil banale gründe feminismus scheiße zu finden. an feministischen inhalten haben bisher schließlich nur wenige kritisiert (was ich durchaus für notwendig erachte), sondern lediglich an dem bild feminismus, was sie sich zu machen erlauben.

  13. 10ada01

    ich finde es ziemlich vermessen von ‚dem feminismus‘ irgendwelche bestimmte handlungen zu verlangen es gibt soviele feminismen wie es kirchen gibt und genau wie diese widersprechen sie sich sogar zum teil.

  14. zer0

    Ich muss 10ada01 zustimmen. Allerdings ist genau das auch der Grund, weshalb ich niemals meine Einstellung in Kategorien wie feministisch oder antifeministisch, rechts oder links etc. einordnen würde. Das führt häufig zu undifferenzierten Sichtweisen.
    Für mich z.B. ist Feminismus ein recht radikaler Ausdruck, der vor allem wenig aussagekräftig ist. Besser finde ich den Begriff der Gleichstellung der Geschlechter. Der ist zum einen selbsterklärend, zum anderen ist er auch integrierend, da er Männer und Frauen gleichermaßen anspricht. Schließlich gibt es nicht nur Defizite bei der Gleichstellung der Frau gegenüber dem Mann, sondern auch umgekehrt.

    Im Übrigen halte ich die Frage, ob die Gleichstellung der Geschlechter gut oder schlecht ist, für eine Glaubensfrage. Mit Argumenten kann man da wenig machen, da hilft nur Lebenserfahrung. Damit umgehen, heißt, sich unnötige Diskussionen ersparen.

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