Ein Dauerbrenner: Das Funktionalisieren und Quantifizieren von Privilegierung/Diskriminierung mittels Zahlen oder Mengenbegriffen, um irgendeine Kackscheiße zu rechtfertigen. Neben Mehrheit/Minderheit-Geschwurbel oder dem netten Begriff „alle“ (wer ist das überhaupt?), taucht auch „Mainstream“ immer mal wieder auf im Zusammenhang mit feministischem Aktivismus.
„Feminismus muss endlich im Mainstream ankommen.“ „Endlich mal eine, die Feminismus für den Mainstream macht.“ „Damit Feminismus auch den Mainstream erreicht.“ usw usf. Mainstream ist cool, Mainstream ist hip, Mainstream wird gefeiert. Doch wer oder was ist dieser Mainstream eigentlich? Und warum wollen ihn bestimmte Feministinnen endlich erreichen, ansprechen, mitnehmen? Wer sitzt da am anderen Ende der Leitung und will abgeholt werden? Und wohin wird die Reise dann führen?
Nehmen wir folgendes Beispiel, weil es gerade ein aktuelles gibt, wo mal wieder eine Mainstream-Meinung gefeiert wird: Emma Watson. Eine weiße privilegierte Hetera, die betont, dass Feminismus nichts mit Typenhass zu tun hat und alle meint (nicht nur Frauen… oder so), es um Gleichheit von Menschen geht, um Menschlichkeit… Schlafen euch auch schon die Füße ein?
Wenn Kritik kommt, dass das Geseier von so einer Person mit diesem Inhalt nun wirklich problematisch ist, weil privilegiertes liberales Gewäsch (ja, Liberalismus ist so eine weiße Idee, auch die Rhetorik von wir sind doch alle Menschen) oder gar: Feminismus als edgy Zusatz für die eigene heterosexuelle Verwertbarkeit…nun ja, dann kommt meistens als Argument: ABER SIE MACHT ES DOCH FÜR DEN MAINSTREAM!!!
Sie macht es noch nicht mal für mich!!! Sondern für all die Dummköpfe, die es noch nicht kapiert haben!!! Die noch überzeugt werden müssen von der guten Sache!!!
NA DANN!!!
Hey und es ist mal nicht so kompliziertes Gesülze mit Rassismus und Heteronormativität und so. Es ist einfach für alle.
Spannend finde ich neben der Tatsache, dass das kein Argument auf die vorgebrachte Kritik ist (sondern Abwehrverhalten), wer auf diese Kritik so reagiert und wer diese Mainstream-MärtyrerInnen eigentlich abfeiert.
Es ist Übersetzung nötig und ich spiele jetzt mal die Dolmetscherin.
Gucken wir uns folgende Szene nochmal im Schnelldurchlauf an >>
Emma: Feminismus, kein Männerhass, Männer sind auch mitgemeint, Menschen allgemein, blablabla
Feministin: VOLL COOL!!! *verlink*
Killjoy: Kritik.
Feministin: Mainstream, die Leute da abholen, wo sie stehen, unkompliziert, alle, blablabla
Ich übersetze den letzten Satz, damit wir auch alle(!) verstehen, was Mainstream eigentlich heißt >>
Feministin: „Endlich mal eine (die Emma), die so denkt wie ich. Endlich mal eine, die von meinen Erfahrungen, meinen Gedanken und meinen Gefühlen spricht. Endlich mal eine, die meine Lebensrealität wiedergibt.“
Woher sollte sonst der Enthusiasmus herrühren, mit dem so etwas verlinkt wird? Wir kennen doch alle die kleinen Seelenöle des Empowerments.
Mit Mainstream meint die Feministin nicht alle, sondern sich selbst. Die Erfahrung einer privilegierten weißen Hetera, die wahlweise von einer anderen privilegierten Hetera oder eines privilegierten weißen Hetero-Typen ausgesprochen wird. Privilegierte weiße Heteras haben es schwer, sich von der Ideologie loszusagen, bei der sie einzig und allein Opfer sind und niemals Menschen mit gewaltausübender Geschichte, mit Profiten, die sie aus einem gewaltausübenden System ziehen, das z.B. auch Rassismus und Heteronormativität hervorbringt (und ihr eigenes Hetendasein).
Um zu rechtfertigen, dass sie Thesen abfeiern, die sich ausschließlich um sie drehen und die Folge dieses Systems sind, müssen sie daher anfangen von Mainstream zu plappern, müssen sich selbst als viele/die meisten/alle/Mehrheit imaginieren. Weil in der weißen, liberalen, aufgeklärten, demokratischen Gesellschaft haben wir ja gelernt, dass die Mehrheit entscheidet, nicht wahr?
Fakt ist: privilegierte weiße Heteras sind nicht die Mehrheit. Sie sind global betrachtet sogar eine ziemlich kleine Gruppe von Menschen. Trotzdem macht Diskriminierung, dass sie sich als Mehrheit denken können, sich selbst als Menschen/Allgemeinheit/Mainstream sehen.
Fakt ist: Ich verstehe, dass so ein Emma-Watson-Statement für diese Gruppe von Menschen bestärkend wirken kann. Sich selbst, die eigenen Erfahrungen gespiegelt zu bekommen, die auch weißen privilegierten Heteras abgesprochen wird, ist etwas wohltuendes. Ich denke, dass das alle Menschen nachvollziehen können, die von Diskriminierung betroffen sind. Anerkennung nennt sich das mitunter auch.
Dennoch: wenn solche Statements kritisiert werden, wird lediglich darauf aufmerksam gemacht, dass das eben nicht die Erfahrungen aller sind, die diskriminiert werden und dass es fatal ist, so etwas anzunehmen, weil es die Lebensrealitäten von anderen unsichtbar macht, ebenso deren Belange, Kämpfe und Bedürfnisse. Es macht auch die Gewalt unsichtbar, die weiße privilegierte Heteras ausgeübt haben, ausüben und an deren Fortsetzung sie durch ihr (feministisches) Tun mitwirken.
Wer diese Kritik nicht erträgt, ist kein Opfer. Wer betonen muss, dass Feminismus auch weiße privilegierte Heten-Typen einschließt (und um die geht es meistens… Männer of Color sind ja schließlich die gewalttätigen, homophoben, sexistischen und angsteinflößenden Monster, nicht wahr?), ist kein Opfer. Sondern macht Feminismus für sich selbst und die eigene Anerkennung vor eben diesen Typen.
Und das ist nicht Mainstream, sondern Kackscheiße.
Kommentare
Eine Antwort zu „Was ist eigentlich Mainstream?“
[…] Beispiel im Zusammenhang mit Emma Watsons Rede: Dieser Beitrag bei Medienelite. Ja, uff, ne. Ich könnte jetzt mit Verteidigungsreden anfangen, aber warum? Stimmt […]