Was das Recht zu Blackface sagt…

Das AGG und die entsprechenden Änderungen in den Sozialgesetzbüchern formulieren ein
umfassendes Diskriminierungsverbot. Dort ist auch geregelt, dass in bestimmten Fällen unterschiedlich behandelt werden darf, wenn dafür sachliche Gründe vorliegen. So ist es beispielsweise nach wie vor legitim, wenn bei einer Filmproduktion eine schwarze Person von einer schwarzen Schauspielerin oder einem schwarzen Schauspieler dargestellt wird.

(Quelle)

Jo, bevor ich mich über die Formulierung lustig mache, ein Beispiel zur Verdeutlichung: Das Schlosspark-Theater Berlin will gern irgendein Stück aufführen. Im Original/Drehbuch/Text ist einer der Rollen ein Schwarzer älterer Mann, genannt „Midge“. Es werden Schauspieler gecastet. Schwarze und weiße bewerben sich auf die Rolle des „Midge“. Im Idealfall wird die Rolle mit einem Schwarzen Schauspieler besetzt, weil das Theater keine Lust auf rassistisches Anmalen von weißen („Blackface“) hat. Der weiße kann nun Diskriminierung schreien, weil er nicht für die Rolle ausgewählt wurde, obwohl er evtl. einen „qualitativ hochwertigeren Lebenslauf“ in der Darstellerei vorzuweisen hat, es ist lediglich eine Ungleichbehandlung, weil sie durch „sachliche Gründe“ (Antirassismus, Logik) gerechtfertigt werden kann. Unerwähnt bleibt hierbei die Tatsache, dass der deutsche Kulturbetrieb aus Gründen von Rassismus sowieso viel weniger nicht-weiße für Rollen castet als weiße und daher sowieso weder Chancen- noch Ergebnisgleichheit, was die Rollenverteilung von Schwarzen und weißen Darsteller_innen angeht, vorliegt.

Diskriminierung läge vor, (und wäre damit auch arbeitsrechtlich durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz – AGG – relevant), die Rolle des „Midge“ mit einem weißen zu besetzen mit der Begründung, es gäbe einfach keine Schwarzen Darsteller für die Rolle, denn offensichtlich haben sich ja Schwarze auf die Rolle beworben. Ebenfalls diskriminierend wäre die Begründung, ein weißer könnte einen Schwarzen „besser“ spielen als ein Schwarzer. Warum? Weil in beiden Fällen kein „sachlicher Grund“ für die Ungleichbehandlung vorliegt. Nein, Rassismus ist kein „sachlicher Grund“.

Im aktuellen Fall hat sich das Schlosspark-Theater Berlin für einen weißen Darsteller entschieden und sie haben ihn angemalt, damit er „schwarz aussieht“. Ich weiß nicht genau, ob sich für die Rolle des „Midge“ tatsächlich Schwarze beworben haben, ich kenne mich im Theaterbetrieb mit der Ausschreibung und Vergabe von Rollen nicht aus. Wenn dem so sein sollte, dann liegt hier kein sachlicher Grund vor und es handelt sich um diskriminierende Rollenvergabe, die in den Relevanzbereich des AGG fällt. Aber wahrscheinlich wurde gar nicht ausgeschrieben, sondern einfach jemand aus dem festen Ensemble ausgewählt. Warum hier kein Schwarzer Darsteller zur Verfügung stand, steht auf einem anderen rassistischen Blatt und dürfte ggf. ebenfalls auf diskriminierende Einstellungspraxis („Schwarze können doch wohl keine normalen Rollen spielen“) hindeuten.

Was leider nicht rechtlich relevant ist, ist die Blackface-Performance als solche. Das AGG ist lediglich anwendbar auf die Behandlung von Arbeitnehmer_innen und Bewerber_innen, beim Zugang zu Bildung, bei der Inanspruchnahme von Dienstleistungen und Versicherungen, sowie im Mietrecht. Das AGG ist kein Gesetz, dass bspw. rassistische Diskriminierung generell und überall verbietet, zudem auch nur Einzelpersonen klagen können und keine Verbände, Gruppen oder ähnliche. Das Grundgesetz, Artikel 3, Absatz 3 greift hier ebenfalls nicht, weil das unterschiedliche Rechts- und Anwendungsbereiche sind, um es mal so profan auszudrücken. Andere Gesetze gegen rassistische Diskriminierung haben wir in Deutschland, soweit mir bekannt ist, nicht.

Was sagt uns das? Das geltende Antidiskriminierungsrecht in Deutschland ist nicht weitreichend genug. Wir werden nach wie vor konfrontiert mit rassistischer Kackscheiße, die als Kunst behauptet wird, und kein Schwarzer Darsteller wird bei Blackface-Praxis eines Theaters ernsthaft auf Einstellung klagen. Denn: im AGG ist es so geregelt, dass der_die Kläger_in glaubhaft an der Stelle interessiert sein muss, um Aussichten auf Gewinn des Prozesses zu haben. Neben einem Schadensersatz in sehr geringer Höhe – materieller Ausgleich – werden dann noch die Prozesskosten und ggf. eine Entschädigung – immaterieller Ausgleich – gezahlt. Der Preis für die Einstellung dürfte ungleich höher liegen: Rassistische Gewalterfahrungen im Beruf. Ist das der Fall (vielleicht sogar bei der Vergabe der Rolle von „Midge“?), greift das AGG ebenfalls, allerdings gilt auch hier: Der_die Kläger_in muss weiterhin diese Stelle behalten wollen/auf Wiedereinstellung (bei Kündigung ohne sachliche Gründe) klagen. Furchtbar. Eine Zumutung.

Noch kurz zum Zitat oben: Eine nichtrassistische Vergabe von Rollen als „nach wie vor legitim“ zu bezeichnen bei einer sowieso rassistisch strukturierten Theaterlandschaft (und Gesellschaft) ist an Zynismus kaum zu überbieten. Antidiskriminierung darf also permanent auf dem Prüfstand stehen. Diskriminierung nicht. Ekelhaft.

Ich bin froh, dass mittlerweile so viele Beschwerden beim Schlosspark-Theater eingegangen sind. Die Facebook-Wall des Theaters quillt über vor Krawall&Remmidemmi. Gut so. Das macht Betroffenen Mut und lässt auch weiße Antira-Aktivist_innen auf Besserung hoffen. Danke.


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Kommentare

3 Antworten zu „Was das Recht zu Blackface sagt…“

  1. […] Bei this is just a test findet sich ein (gewohnt dreister) Antwortbrief des Theaters auf die Rassismuskritik: „Blackface in 2012, das Schloßpark Theater in Berlin bietet eine armselige Vorstellung „. Bei stop!talking. wurde der wunderbare rant „You Know It’s A Bad Idea When It’s Blackface.„. Und Nadine Lantzsch hat auf ihrem Blog medienelite analysiert, „Was das Recht zu Blackface sagt…„. […]

  2. […] das geltende deutsche recht? (meine güte, warum frage ich eigentlich…?) lantzschi von medienelite stellt fest Was leider nicht rechtlich relevant ist, ist die Blackface-Performance als solche. Das […]

  3. […] vielen Links und Erklärungen, warum genau das rassistisch ist? Geschenkt! Inzwischen ist das Thema selbst bei […]