Aktion Libero – Fast an die Wurzel

Mit Interesse verfolge ich die erstmal sehr lobenswerte Aktion Libero, an denen viele viele Blogs teilnehmen, um sich gegen Homophobie im Fußball auszusprechen.

Schaue ich mir die Seite genauer ein, stoßen mir viele Dinge auf:

– UnterstützerInnen: Theo Zwanziger, der sich nach wie vor schützend vor die homophoben Ausfälle der DFB-Elf (samt Trainer und Management stellt) und es SpielerInnen rät, sich nicht zu outen. Maria Furthwängler, die wesentlichen Anteil an einer homophoben Tatortfolge hatte (wurde mir zu getragen – schaue Tatort nie), Christine Lüders, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, die seit Jahren völlig untätig ist. Nicht gerade Vorzeigefiguren. Positiv hervorzuheben ist die Arbeit von Tanja Walther-Ahrens.

– Unterscheidung zwische Fußball und Frauenfußball. Erstmal geht es um schwule Männer. In der linken Spalte darf mensch sich dann auch mit Lesben auseinander setzen. Wer jetzt kommt mit, aber Fußball wird doch viel häufiger von Männern gespielt oder Frauenfußball sei was anderes, gibt sich mit dem sexistischen Normalzustand im Fußball zufrieden und hinterfragt keine Ursachen. Sagen wir so, für Lesben gelten im Fußball andere Umstände als für Schwule, ich hatte da mal was drüber gepinselt, aber die Ursachen sind die gleichen.

– Thema Toleranz. Natürlich ist es wichtig, auf Probleme hinzuweisen. Und Homophobie ist neben Rassismus und Sexismus im Fußball ein wirklich sehr großes (und nicht nur da). Homophobie gehört der Kampf angesagt, doch ich glaube und weiß auch aus eigener Erfahrung, dass es wenig bringt, Toleranz einzufordern. Das hat schnell zur Folge, dass mensch das Andere zwar neben sich akzeptiert, es aber immernoch als anders betrachtet. Schnell gesellen sich auch vermeintliche Denkverbote hinzu. „Jetzt darf ich schwul nicht mehr als Schimpfwort benutzen“, ohne zu wissen, warum das Wort „schwul“ außerhalb der Benutzung als Selbstbezeichnung problematisch ist. Oder das Ding von „Ich hab ja nichts gegen Homos, aber…“, „Ist zwar jetzt schwulenfeindlich, aber ich find’s witzig, denn ich hab ja nichts gegen Schwule“.
Auf der Seite von Aktion Libero wird zwar gesagt, Sexualität darf keine Rolle spielen, doch das tut es. Auch mit Toleranz. Wenn ich auf Twitter Sprüche lese wie: „Es interessiert mich nicht, mit wem du vögelst, solange du gut kickst“, wird eines deutlich: Solange du die Leistung bringst, die ich von dir erwarte, darfst du dir meiner Homofreundlichkeit gewiss sein. Vielen Dank für das paternalistische Zugeständnis. Neben der sehr problematischen Verknüpfung mit Leistungsprinzipien, die eben auch genau im Fußball eine sehr schmerzliche Erfahrung für alle darstellt, die aus verschiedenen Gründen nicht die Spielleistung zeigen können und dann als Mutti, Weichling oder Schwuchtel gelten, finde ich merkwürdig, dass gar nicht an der Norm gekratzt wird: Heterosexualität und bestimmte Männlichkeitsvorstellungen.

Eine sehr gewichtige Ursache von Homophobie ist nämlich, dass diese beiden Dinge als Norm gesetzt werden, von der aus das Abweichende konstruiert und herabgesetzt wird. Wer schwul ist, gilt als unmännlich, wer nicht bestimmte Vorstellungen von Männlichkeit (Kraft, Stärke, Ausdauer, Härte, etc.) erfüllt, gilt als schwul. Schwul = scheiße. Toleranz einzufordern bedeutet nicht, diesen Vorgang sichtbar und kritisierbar zu machen. Es gibt Stimmen, die sagen, das sei überfordernd. Neben der klassistischen Implikation hinter dieser Aussage, nämlich Fußballfans und -spielerInnen als dumm und proletarisch hinzustellen, die angeblich nicht im Stande seien, diese eigentlich sehr einfach funktionierende Konstruktionsarbeit zu erkennen und deshalb lieber mit Toleranzforderungen zu konfrontieren, verkennt auch, dass sich Homophobie durch alle gesellschaftlichen Schichten zieht. Auch durch jene, in der sich reiche Supermacker wie Zwanziger aufhalten oder das sogenannte Bildungsbürgertum.
Dann gibt es Stimmen, die sagen, Toleranzforderungen seien der erste Schritt, dann könne mensch auch das andere ansprechen. Sehe ich anders. Denn: Wie oft denn bitte noch? Seit wievielen Jahrzehnten gibt es Forderungen nach mehr Toleranz? Wie viel hat sich seitdem verbessert? Nicht viel. Zu sagen: Du musst tolerant sein und darfst deswegen „schwul“ nicht mehr als Schimpfwort verwenden, ändert nichts im Denken der Menschen, dass schwule Fußballer eben eine Abweichung darstellen, bei der ich mir als Hete aussuchen kann, ob ich das toleriere oder nicht (bei entsprechender Leistung wohlgemerkt).

Was könnte mensch also tun? Verwirrung stiften. Indem da nicht steht auf dem Eingangsfoto: Schwul/lesbisch, rund und grün, sondern hetero, rund und grün. Und dann die Leutchens mit ihrer Verwirrung abholen: „Sie dachten, hier ginge es eigentlich um Homos? Wieso eigentlich?“ usw.

Noch am Rande: Die teilnehmenden Blogs finden für sich Themen, wie sie mit der Aktion Libero umgehen, die Aktionsseite selbst, bleibt in der oft wiederholten Regenbogen-Toleranz-Ecke stehen, die nebenbei auch mal wieder Frauen* unsichtbar macht. Schade eigentlich.

edit: gerade las ich noch eine andere Kritik an der Aktion, die auf das Symbol eingeht. Ich zitiere hier mal frech eine Konversation zwischen @tutnurso und @Voegelchen >> „schonmal auf das symbol von @AktionLibero geachtet? bildsprache = voll daneben. vermittelt „schwul“, sei das „schwarz“ auf dem rasen. #fail“ – „oder das schwarze Schaf auf der Wiese…“ – „anscheinend keine sensibilität für rassistisch aufgeladene symbolik. ein pinker punkt, hätte es doch auch getan…“ – „…und dann wäre trotzdem noch was zum thema weiß-sein als unhinterfragte kategorie anzumerken. grmpf.“


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Eine Antwort zu „Aktion Libero – Fast an die Wurzel“

  1. […] & Subdiskurse Reloaded sieht die Aktion eher ambivalent, die Medienelite macht deutlich kritische […]