Ich laufe durch die Straßen. Zwei kleine Jungen laufen an mir vorbei und brüllen Lesben sind geil. Ich sage nichts. Ich lache etwas.
Ich laufe durch die Straßen. Ein Mann starrt mich an, noch mehr meine Freundin. Ich sage nichts. Ich lache nicht.
Ich laufe durch die Straßen. Wir werden von zwei Männern angehalten und um Sex gebeten. Ich sage etwas. Im Nachhinein war nicht gut, was ich gesagt habe.
Ich laufe durch die Straßen. Autos fahren vorbei und hupen. Ich drehe mich um. Ich kann nichts sagen.
Ich laufe durch die Straßen. Jemand brüllt „Scheiß Lesben“. Ich sage nichts.
Ich sitze in der S-Bahn. Eine Gruppe junger Männer entdeckt uns zum Glück erst, als sie schon ausgestiegen sind. Sie kleben an den Scheiben, machen obszöne Gesten und treten gegen die Fenster. Ich kann nichts sagen. Meine Freundin hat Angst. Ich auch.
Ich ignoriere all diese Dinge im Alltag und weiß genau, dass sie immer wieder passieren werden. Ich versuche abzuwiegeln, nicht zu verurteilen. Ich versuche andere Positionen einzunehmen, um zu verstehen. Ich leugne ab und an meine Homosexualität, wenn ich der Meinung bin, das Klima dafür sei nicht gegeben. Ich leuge mit all diesen Verhaltensweisen: Mich selbst.
Mit diesem Blog habe ich die Möglichkeit tagebuchartig oder eingebettet in andere Kontexte diese Vorgänge zu verarbeiten. Die Wut, die ich in mir trage zu kanalisieren, in schriftlicher Form. Ich bin nicht sehr spontan, ich kann nicht gut sprechen. Dieses Blog ist meine Art zu sprechen.
Ich mag Menschen nicht, die versuchen, mir diese Form der Kommunikation zu verbieten oder mir Hinweise geben, ich solle weniger emotional sein. Weniger emotional in den Themen, die mich betreffen und meistens nicht sie. Wie die Menschen, die meine Identität zum Kotzen finden, üben auch diese Menschen eine Macht aus. Macht darüber zu erlangen, was und wie ich es sage. Definitionsmacht. Definitionsmacht, der ich allein schon deshalb unterworfen bin, dass ich lesbisch bin. Definitionsmacht per jure. Defintionsmacht per Öffentlichkeit. Und stets soll ich ignorieren, dass all das auf mich einprasselt. Ich versuche auszuweichen. Mit Argumenten oder ohne Meinung, ganz zurückgezogen. Es macht keinen Unterschied. Ich halte den Mund und ignoriere. Es macht keinen Unterschied. Ich fühle mich beschissen.
Manchmal wird aus dem beschissenen Gefühl ein wütendes. Ja ich bin wütend. Wütend darüber, dass ich mich oft nicht wehre, dass ich es passieren lasse und dass es Menschen gibt, die mich einschränken wollen in meinem Selbst, in meinem Handeln.
Manchmal stehe ich auf und wehre mich. Ganz entschieden. Weil ich es nicht mehr aushalte.
Dieses Blog ist eine der wenigen Räume, die ich für mich habe. Ein Raum, der es Menschen schwer macht, mich einzuschränken, weil sie mich nicht sehen, weil sie mich nicht kennen. Nur das, was ich schreibe. Es reicht trotzdem, sie zu ermutigen, mir diesen spärlich und mit viel Liebe gepflegten Raum zu entreißen. Allein durch ihre Stimme. Das macht mich noch wütender. Ich will es mir nicht wegnehmen lassen und niemandem überlassen außer mir selbst.
Hier ist ein Raum, in dem ich als Autorin ein Privileg genieße. In dem ich fühlen kann, wie es sein muss, stets solche zu genießen. Es fühlt sich gut an. Dieses gute Gefühl hat in den Augen einiger kein Recht zu existieren.
Als Privilegienbesitzerin habe ich deshalb die Macht, diesen Menschen ihre Bleiberecht in diesem Raum zu entziehen. Oder mich zu wehren, weil ich so wütend bin. Ich muss nicht ruhig bleiben. Ich will nicht mehr ignorieren, was mich einschränkt. Ich will entschieden dagegen vorgehen. Ich ignoriere schon genug.
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