Stellungnahme zum taz-Artikel über die Mädchenmannschaft

weil ich gerade mehrfach gesagt bekomme, es wäre „für unsere interessen“ besser gewesen mit der taz zu sprechen und wir „kritiker mitunter ausschließen“ würden, nochmal eine kleine stellungnahme: heide oestreich war nie interessiert, mit der mädchenmannschaft zu sprechen, sondern nur mit mir. auch nach mehrmaligem antworten, dass die mädchenmannschaft nicht zu einem interview bereit ist, schrieb sie mich weiterhin über meine mailadresse an, wir sollten doch nochmal unsere pressearbeit überdenken, ich solle sie dann und wann anrufen, damit sie mit mir(!) über die „vorkommnisse innerhalb der mädchenmannschaft“ sprechen kann. die mailadresse der mädchenmannschaft hat sie nie kontaktiert. anders als andere presseanfragen, hat sie auch keine nachricht auf dem anrufbeantworter hinterlassen. ich/wir wussten also zu keinem zeitpunkt, auf welchen gesprächsrahmen wir uns einlassen, was überhaupt inhalt des artikels sein soll usw. heide oestreich hat auch keine veranlassung dazu gesehen, uns dies mitzuteilen. da sich die taz bisher nie für die MM interessiert hat, sind wir davon ausgegangen, dass es sich um eine bewusste skandalisierung der ereignisse auf unserer geburtstagsfeier handelt, nachdem dies auch schon öffentlich auf twitter, facebook und in blogs zerpflückt und unser bemühen um verantwortungsübernahme mit häme übergossen wurde. jetzt sehen wir da einen artikel, in dem zwei der gründerinnen zitiert werden und eine MM-bloggerin, die zusammen mit barbara streidl und susanne klingner die MM vor 1,5 Jahren verlassen hat. die gründe hierfür werden natürlich nicht genannt, sie haben jedenfalls nur indirekt mit inhaltlichen veränderungen auf der MM zu tun. denn konkret ging es um die realisierung eines neuen projektes. nach dem wunsch der drei ausgestiegenen hätte dieses neue projekt die MM ersetzt. die MM wäre also zum jetzigen zeitpunkt schon nicht mehr existent gewesen. dieses vorhaben geschah damals hinter dem rücken der aktiven bloggerinnen und mithilfe von internen hierarchien und vereinsstrukturen. nur durch zufall haben wir davon erfahren und uns daraufhin im einvernehmen(!) für getrennte wege entschieden. seit dieser zeit müssen wir und insbesondere ich immer wieder angriffe durch diese personen über uns ergehen lassen, die auch gerne mal in der taz oder im freitag veröffentlicht werden.

meredith haaf hat sich aufgrund privater angelegenheiten und eigenen projekten schon vor dieser zeit aus der MM zurückgezogen. ihr ausstieg jetzt hat damit zu tun, dass sie für sich keinen anlass sieht, sich mit rassistischen strukturen innerhalb feministischer kontexte auseinanderzusetzen. das kann sie selbstverständlich allein entscheiden, nur sollte sie ihre persönlichen entscheidungen dann nicht auf dem rücken von betroffenen und solidarischen menschen austragen, wie es im taz artikel und kürzlich in der jungle world nachzulesen war.

ich kann nicht einschätzen, was journalist_innen dazu veranlasst, leute zum „aktuellen stand“ der MM zu zitieren, die seit mindestens 1,5 jahren nicht mehr teil des kollektives sind und die MM aus freien stücken verlassen haben. die also keinen einblick in interne entscheidungs_prozesse haben, keinen einblick in interne entwicklungen.

solche „kritiker“ in zukunft auszuschließen, mit denen wir auch schon seit sehr langer zeit nicht mehr sprechen / ihnen keinen raum gewähren, bedeutet für die MM in erster linie: weiterentwicklungen, inhaltliche verschiebungen, eigene fehler zuzulassen, sie verändern zu wollen und damit den raum zu öffnen, den es für diese menschen auf der MM lange zeit nicht gab. ich möchte mir von niemandem vorschreiben lassen, der_die an inklusiveren strukturen innerhalb feministischer kontexte nicht interessiert ist, was in meinem interesse oder im interesse der MM ist.

was gerade passiert, ist in meinen augen eine verschiebung: weg vom alphamädchen-feminismus, der in erster linie gut situierten heteras zugute kommt und strukturfragen nicht mehr stellt, zu mehr machtkritik, zu mehr aufnahme von feministischen diskursen und konfliktlinien, die es bereits vor 20, 30, 40, 100 jahren gab. ein mehr arbeiten mit traditionen und geschichten, ein aufmerksam sein. mehr umsichtigkeit, mehr verantwortung. dies führt weder zu einer abschottung, noch zu elitärem gedünkel, sondern ermöglicht in erster linie konstruktives und produktives feministisches arbeiten. dass sich die mehrheitsgesellschaft davon nicht angesprochen fühlt, die jedes feministische projekt in den tod diskutiert, spart, gängelt und bedroht, ist ein problem dieser und nicht das einen feministisch verorteten projektes.

die MM hat das glück, sich einen gewissen stand erarbeitet zu haben, rezipiert zu werden, ja eine gewisse diskursmacht zu besitzen. dies haben wir geschafft, in dem wir uns in den vergangenen 5 jahren stetig entwickelt und verändert haben. trotz aller widrigkeiten und trotz der immensen arbeit, die ein ehrenamtliches projekt mit sich führt. diese diskursmacht bringt verantwortung mit sich, die wir übernehmen und umsetzen wollen. die meisten menschen, die uns lesen, sind uns dankbar für unsere arbeit, haben viel gelernt und mitgenommen, wir hatten tolle diskussionen und haben noch mehr lücken, die es zu füllen gilt, ausschlüsse, die angegangen werden müssen.

gerade jetzt, wo uns diese für mich positiv besetzte machtrolle zuteil wird, die so selten ist bei feministischen projekten, wird versucht, uns gewaltsam totzureden und damit auch ein stück feminismus. von menschen, die teil des projektes MM waren. warum? weil ihre persönlichen befindlichkeiten und betroffenheitslagen nicht mehr teil unseres selbstverständnisses sind, weil sich aus der weißen worklifebalance-karrierehetera mit kind nun mal keine feministische politik formulieren lässt, die für viele menschen interessant und wichtig ist. weil diese politik sich in eine tradition des feminismus im deutschsprachigen raum stellt, die schon immer die unterstützung von z.B. lesben für ihre politik genossen hat, umgekehrt eine nach solidarität lang suchen konnte. konfliktlinien des feminismus traten schon immer dort auf, wo die mit besserem sozialen stand nicht mehr bereit waren, ein teil ihrer privilegien abzugeben. für die sache ™. stattdessen haben diese leute ein geschichtswissen installiert, dass bis heute viele wichtige kämpfe unsichtbar macht, negiert und gewaltvoll unterdrückt. dieses geschichtswissen nennt sich „drei-wellen-modell“.

ich frage mich, wie ein feminismus auf eine hoch komplexe und widersprüchliche gesellschaft reagieren will, der mit einfachen antworten daherkommt, die nur ein bruchteil der bevölkerung überhaupt tangieren, wenn nicht gar sich anschlussfähig macht für repressionen und backlash, die seit mehreren jahren auch in deutschland vorherrschen und jedes feministische projekt zusehen muss, dass es arbeitsfähig bleiben kann. ich frage mich, was daran nicht elitär und ausschließend sein sollte. ich frage mich, was das noch mit feminismus zu tun hat. dieses gepuderte kleinklein mit einem konservativen politikverständnis ohne einen funken solidarität.

und nun, da die mädchenmannschaft mit ihrer diskursmächtigen rolle versucht, sich dem entgegen zu stellen und diskussionen anzustoßen, die nicht beliebt, aber dafür umso wichtiger sind, wird nichts unprobiert gelassen, mitglieder der MM oder die MM als projekt zu diffamieren, unsichtbar zu machen und zum schweigen zu bringen. mit argumenten, die sich antifeministischer und rassistischer rhetoriken bedienen. und dafür beifall bekommen. auch von feminist_innen, linken und sich progressiv labelnden personen. willkommen in deutschland 2012.


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Eine Antwort zu „Stellungnahme zum taz-Artikel über die Mädchenmannschaft“

  1. […] eine herbe Bruchlandung: Blogs zerstreiten sich, die Printmedien greifen dies auf (inklusive grottenschlechter Recherche) und Häme und Spott aus den vermeintlich gleichen Reihen. Was ist da bloß […]