Stefan Niggemeier hat einen Text über Kai Diekmann geschrieben. Schon wieder. Stilsicher, technisch einwandfrei, gewitzt, pointiert – was anderes ist man bei Niggemeier auch nicht gewohnt. Er beginnt und beendet den Text mit Zitaten von 2006, Satzbausteine aus einem Artikel von Niggemeier über Diekmann, der damals im SZ-Magazin erscheinen sollte, es aber nie tat. Gründe: unklar.
Der Inhalt des neuerlichen Diekmann-Rants, dieses Schwanensees der Yin Niggemeier und seinem Yang Diekmann, ist so erschreckend genau und bezeichnend für die Maschinerie der Massenmedien, die sich in den meisten Fällen nur um sich selbst drehen, statt um ihre Leserschafft, die Welten erschaffen, Skulpturen erbauen und aus Reliquien „The new shit“ kreieren. Und andersherum. Damit Opfer fordern. Ob sie nun Wahrhaftigkeit, Würde, Vertrauen oder Gisela heißen.
Doch der Niggemeier-Text offenbart in seiner allumfassenden Wuthomogenität noch eine zweite erbaulichere Ebene, eine Ebene, die vielleicht nur für Menschen sichtbar ist, die selbst journalistisch tätig sind und sich für Medienkritik aus nicht weniger selbstsüchtigen Beweggründen interessieren, wie die Holzfäller der alten Journalistengarde, die, einsam, in ein Feuilletonpapier gehüllt, nur für ihre eigenen Artikel atmen.
Die Ebene ist vielleicht auch sichtbar für Menschen, die aus selbstsüchtigen Gründen Medienkritik verschlingen, heimlich oder ganz offen (und doch meistens allein) vor ihrem Notebook hocken, sich gnadenlos freuen über die nächsten Ausreißer der Presse wie das kleine Kind vor dem Wagen des Eismanns. Mit schallendem Gelächter zeigen sie mit ihren fettigen, zierlichen, schwitzigen oder rissigen Fingern auf die Buhmänner und Buhfrauen, die früher noch JournalistInnen waren. Medienkritische Menschen wie Niggemeier lassen diese armen Wesen in friedfertigem Glauben, sie könnten es besser, wenn sie nur die Gelegenheit hätten oder beim Schopfe packen würden. Und weil die Erhaltung dieses Glaubens, an dem Niggemeier seit Jahren so altruistisch wie stoisch mitarbeitet, so fundamental ist, laufen diese armen Wesen ihm zu, händeringend, in Heerscharen, weinend, glückselig, als wäre der Messias endlich gekommen, um die Menschen aus ihrer von den Medien aufoktroyierten Unmündigkeit zu befreien.
Es ist beinahe traurig, dass sie enden würden wie die Klagefrauen vor ihren Toten, wenn sie erkannten, dass sich niemand außerhalb dieser kleinen Medienblase dafür interessiert, wofür ihr kleines armes Herz schlägt. Dass die Medienwelt nicht besser geworden ist mit Niggemeier & Co., dass sie auch nie schlechter war, als Niggemeier & Co. es immer so gerne heraufbeschwören. Dass die Medienwelt nichts weiter ist als jede andere Berufswelt, mit all ihren Fehlern, Klüngeleien, Lügen und Halbwahrheiten. Mit ihren Affären und Skandälchen, mit ihren Paid-Content-Modellen und ihren Total-Buy-Out-Verträgen.
Natürlich, natürlich, ich hatte beinahe vergessen zu erwähnen, dass Massenmedien noch heute die tägliche Agenda bestimmen, auch wenn viele kleinere und größere Blogs eine besonders lobenswerte Parallelöffentlichkeit geschaffen haben. Dass Medien nun einmal das sind, was sie sind: einflussreich und beeinflussbar. Manipulation des Geistes. Ein wesentlicher Teil unserer Gesellschaft. Nun ja, so will ich wenigstens hinzufügen, dass ich Kloschüsseln ebenso für einen unverzichtbaren Teil unserer Gesellschaft halte und nicht damit leben könnte, würde es keine Firma mehr geben, die sie herstellen könnte, nur weil ein jahrelang wirkender Mensch auf die moralischen Missstände innerhalb der Kloschüsselherstellbranche aufmerksam gemacht hätte. Oder ein anderer minimale Fehlkonstruktionen an den Kloschüsseln nachgewiesen hätte.
Menschen sind laster- und fehlerhaft und mit ihrem Verhalten oder Nicht-Verhalten streifen sie verschiedene relevante Bereiche mit verschiedenem Impact.
Menschen sind fabel- und zauberhaft und mit ihrem Verhalten oder Nicht-Verhalten streifen sie verschiedene relevante Bereiche mit verschiedenem Impact.
Yin und Yang.
Schreibe einen Kommentar