Warum Migrant_innen rassistisch sein dürfen. Aber nicht zu viel.

Heute morgen las ich diesen Artikel von Katrin Schuster, die sich berechtigterweise über die rassistischen wie klassistischen/sozial- und wohlstandschauvinistischen Biases im Artikel von Mariam Lau in der Zeit echauffiert.

Da es ja zur Zeit wieder in Mode ist, über Frauen und ihr Tun zu urteilen (statt sich mit Systemfragen zu beschäftigen) und das Wort Macht wieder ungünstige Konnotationen bekommt, passt auch der Artikel von Mariam Lau ganz gut rein. Mariam Lau findet sich selbst so emanzipiert, dass sie gleichzeitig über Germany’s Next Top Model Models lästern darf und ihrer Tochter großmännisch(!) das Gucken dieser Daily Soap erlaubt. Models in GNTM sind dumm, Unterschicht und/oder haben Migrationshintergrund. Ein bisschen Sarrazin darf neben Frauenbashing also nirgendwo fehlen.

Nun verwundert es wenig, dass die Mainstreampresse mit backlashigen Artikeln glänzt, die Rolle von Mariam Lau muss in dieser Debatte allerdings auch unterstrichen werden. Mariam Lau ist Tochter eines Iraners. Tochter einer sozial privilegierten Familie. Ich lernte Miriam Lau vergangenen Herbst beim Genderkongress der Bundeszentrale für politische Bildung kennen. Sie moderierte dort das Panel „Gender in der Migrationsgesellschaft“. Mit ihr auf dem Podium saß u.a. Lamya Kaddor, die kürzlich das Buch „Muslimisch, weiblich, deutsch. Mein Weg zu einem zeitgemäßen Islam“ herausbrachte. Auffällig ist hierbei für alle, die den letztjährigen Sarrazin-Rausch mitbekommen haben, wie sehr migrantische Stimmen im vergangenen Jahr gepusht wurden. Müsste mensch eigentlich gut heißen. So ein kritisches Gegending zum neuen Volksrassisten. Wir erinnern uns vielleicht auch an das „Manifest der Vielen“ unter Herausgeberinnenschaft von Hilal Sezgin. Ich empfehle, die Links wirklich zu klicken und auf sich wirken zu lassen.

Ich schrieb „Pushen“ absichtlich im Passiv, denn es dürfte nichts neues sein, dass Migrant_innen hierzulande von der Mehrheitsgesellschaft autorisiert werden müssen, bevor sie sich zu stimmgewaltig zu Wort melden dürfen. Hinzu kommt, dass es bestimmte Stimmen sind. Stimmen, die vermeintlich kritisch gegen Rassismus argumentieren, aber sich doch immer wieder so positionieren müssen, dass sie nicht weh tun. Ergo: „Rassismus ist voll doof, aber manches kommt halt nicht von ungefähr. Ich muss auch gleich dazu sagen, dass ich nicht eine_r von denen bin, die ihr rassistisch markiert und ausgrenzt“.

Die sogenannten VIP-Migrant_innen (der Begriff stammt nicht von mir, sondern aus dem rassismuskritischen und postkolonialen Diskurs) sind allesamt Gewinner_innen eines rassistischen Systems. Ausnahmen. Privilegiert durch ihre Schichtzugehörigkeit und weil ihre Herkunft zwar irgendwie bedrohlich für weiße Deutsche, aber eben durch höhere Stellungen in anderen sozialen Positionen doch auch okay ist. Leute, die es durch individuelle Leistung zu was gebracht haben. Vorzeigebeispiele der Rassist_innen, die meinen, so etwas wie Strukturen gäbe es nicht. Mensch müsste sich nur anstrengen. Wer unten bleibt, ist selbst schuld. Und eben Migrant_innen, die sich nicht grundsätzlich einem rassistischen Diskurs widersetzen, sondern in ihm agieren und sich einpassen, kritisch zu offensichtlichen Wichsvorlagen wie Sarrazin und halbkritisch zu Pseudoislamkritiker_inenn wie Ates, Hirsli Ali und Kelek, aber immerhin auch mehrheitsgesellschaftlich toleriert.

Diese eher multikultifreundlichen und reformerischen Perspektiven sind in ihrer (positiven) Wirkmächtigkeit nicht zu unterschätzen, aber es ist nun mal leider so, dass Stimmen, die sich außerhalb dessen bewegen, gar nicht gehört oder diskreditiert werden. Stimmen, die darauf hinweisen, dass auch ein systemischer Rassismus das Prinzip „Teile und Herrsche“ installiert hat, das Rassifizierte aufspaltet in Menschen, die „passen“ (von engl. to pass, was in etwa bestehen und durchkommen heißt) und Menschen die weniger oder gar nicht passen, sondern marginalisiert bleiben. Eine Hierarchisierung der Anderen sozusagen.

Beim Panel „Gender in der Migrationsgesellschaft“ war Lau, obwohl sie eigentlich moderierend tätig sein sollte, immer dabei, kritischere Standpunkte als ihre abzuwerten und Frauen wie Kaddor beizupflichten. Während Kaddor liberal und individualistisch argumentierte, war Laus Position offensichtlich eine konservativere, die die „kritische Mehrheitsgesellschaft“ repräsentierte. Immer sticheln, immer piesacken, durchzogen von rassistischen und sozialchauvinistischen Biases. Das nervte sogar das mehrheitlich weiße Publikum (allerdings waren die meisten hier dem akademischen, rassismussensiblen und/oder kritisch linken bis linksradikalen Spektrum zuzuordnen), das sie irgendwann für ihr dominantes Auftreten sanktionierte.

Was Menschen wie Sezgin, Lau, Kaddor, etc. tun ist nichts weiter als der Mehrheitsgesellschaft nach dem Mund zu reden. Nicht, weil sie Rassismus beipflichten, sondern weil sie mit ihren Argumenten einen rassistischen Diskurs stützen, über den sie niemals werden selbstständig bestimmen können. Einen Diskurs, der die Menschen in Gruppe 1 und Gruppe 2 aufteilt, in Wir und die Anderen. Die Anderen sind in der Rechtfertigungsposition, die Mitglieder des „Wir“ bilden die Normalität ab, die unhinterfragt und meist unsichtbar vor sich hin rassifizieren kann. Zugehörigkeiten zu Gruppe 1 und Gruppe 2 müssen immer wieder bestätigt, (re)aktualisiert, abgelehnt und mit Leben gefüllt werden. Wer_welche woanders in privilegierter Stellung ist, kann sich glücklich schätzen, dass von ihm_ihr weniger Positionierungsarbeit abverlangt wird als anderen. Deswegen hat mensch dann auch Zeit und Ressourcen Bücher über Multikulti und Islam zu pinseln, auf Podien zu sitzen und für die Zeit zu schreiben, während andere ihr Dasein in der Residenzpflicht fristen. Das macht den rassistischen Diskurs auch so tricky: Er scheint so unhinterfragbar, unauflösbar und subtil, durchdringt jeden kleinen Winkel unseres Alltags.

Auch den Alltag von Mariam Lau, die in der Zeit gegen „dumme Unterschichtsmigrant_innen“ bashen kann, als sei das irgendwie originell und kritisch. Interessant an der Kritik an Laus Artikel, die ich ganz oben verlinkt habe, waren auch die Kommentare. Dort äußerten sich gleich mehrere, dass sie es überhaupt nicht nachvollziehen können, wie eine Migrant_in wie Lau über ihre eigene Sippe lästert. Zu einem Rassismus gehört es auch, dass White Supremacy noch nicht mal die Rassifizierten entscheiden lässt, wen oder was sie diskriminieren dürfen. Unerhört! Migrant_innen sind auch rassistisch. Das darf eigentlich nur ich! Hier wird deutlich, wer_welche rassistische Diskurse bestimmen: Weiße. Wenn Weiße über Weiße abranten, spielt Hautfarbe/Herkunft natürlich nie eine Rolle. Nicht-Weiße fragen dann auch nicht brüskiert, wieso wir Weißen über unsere Sippe ablästern.

Dem White Gaze kann sich auch Mariam Lau nicht entziehen. Sie wird sofort mit denen in einen Topf geschmissen, von denen sie sich doch eigentlich abgrenzen wollte. Schade, der Punkt im Spiel „Rassismus vs. Rassismus“ ging dann wohl nicht an Sie!


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17 Antworten zu „Warum Migrant_innen rassistisch sein dürfen. Aber nicht zu viel.“

  1. Ja, das mag ja alles so sein – aber was folgt daraus? Sollen sich Leute wie Hilal Sezgin und Laymar Kaddor nun nicht mehr zu Wort melden? Klar, das System. Aber das System ist nun mal da, und ich habe – niemand hat – die Option, sich außerhalb zu bewegen. Man kann und sollte das analysieren, und sich klar machen, welche Funktion man innerhalb dieses Systems einnimmt. Soweit ich weiß, tun Sezgin und Kaddor das auch. Und ich finde das, was sie machen, gut. Und ich finde es ziemlich gaga von dir, ihnen vorzuwerfen, sie würden der Mehrheitsgesellschaft nach dem Mund reden. Dafür dass ihre Ansichten und Analysen innerhalb dieses „Systems“ teilweise diese Funktion, den rassistischen Diskurs zu stützen, einnehmen, können sie ja nichts. Und auch nicht dafür, dass sie über den Diskurs „niemals werden selbstständig bestimmen können“. Die Vorstellung, eine solche Selbstständigkeit wäre überhaupt erstrebenswert, ist meiner Ansicht nach selbst schon weiß-privilegierter Unfug. Ein Diskurs, über den man selbst bestimmen kann, ist kein Diskurs sondern Monolog.

  2. Antje,

    wie ich im Text bereits schrieb, halte ich die Stimmen von Kaddor, Sezgin und Co. für wichtig, auch wenn ihre Herangehensweise aus einer diskurstheoretischen, dekonstruierenden oder radikal rassismuskritischen Perspektive angreifbar ist. Sie argumentieren teilweise sehr kulturalistisch, okay, aber kulturalisierende Aspekte und Effekte hat der Rassismus des 21. Jahrhunderts nicht minder. Was ich sagen will: Sie setzen sich in einen Diskurs, der rassistisch motiviert ist und versuchen dagegen zu argumentieren. Ich kritisiere die Argumentationsweise und überhaupt die Anerkennung eines Diskurses, der Sezgin, Kaddor und Co. von Vornherein als Andere wahrnimmt. Und ja, das bedient mehrheitsgesellschaftliche Perspektiven, Zuschreibungen und Rassifizierungen oder stützt diese. Das kann mensch anders argumentieren, aber als gaga musst du meine Argumentation deshalb nicht abtitulieren. Dass ein System „da“ ist, heißt nicht, dass mensch seine Entstehung und Funktionalitäten nicht kritisieren darf (und auch muss).

    Ich kritisierte auch nicht ihre Repräsentation als Subalterne, denn dafür – wie du schreibst – können sie ja wirklich nichts. Weiß-privilegierter Unfug ist in erster Linie, dass Weiße darüber bestimmen, welche subalternen Stimmen sie zulassen und nicht der Wunsch nach vermehrten Stimmen nicht-Weiße_r. Von Selbstständigkeit (oder Monolog) war nie die Rede. Bitte lies noch einmal genauer. Meine Argumente entstammen einer bestimmten theoretischen Perspektive und sind teilweise sogar 1:1 abgekupfert aus dem postkolonialen und rassismuskritischen Diskurs. Ich denk mir das nicht aus, um einen Gaga-Text an einem Sonntagvormittag zu schreiben.

  3. Ich teile deine gesamte Analyse und finde sie wichtig. Und ich glaube, auch Sezgin und Kaddor würden ihr zustimmen. Aber meine Frage bleibt: Was sollen sie, was sollen wir deiner Meinung nach denn sonst machen? Es gibt keinen anderen Diskurs als diesen. Alles, was man innerhalb des „Systems“ sagt, bekommt eine rassistische Funktionalität, aber anderswo als innerhalb des Systems kann man nichts sagen, weil es diesen Ort nicht gibt.
    Ich finde, es ist kein Widerspruch, das System, seine Funktion und Entstehungsweise zu analysieren und zu kritisieren und sich trotzdem daran zu beteiligen. Mehr noch: Es ist nicht nur kein Widerspruch, es ist sogar die einzige Handlungsoption die wir haben. Deshalb finde ich deinen Vorwurf gegen Sezgin und Kaddor falsch, weil du ihnen unterstellst, sie würden das naiverweise tun. Soweit ich weiß, tun sie das nicht naiverweise, sondern genau wissend, was sie tun. (ich gebe zu, gaga war kein gutes Wort dafür, aber es ist halt Sonntagmorgen :)

  4. […] Tag fing so konstruktiv an – ich las Nadines Blogeintrag zum Thema Rassismus von Migrant_innen und stolperte über Was Menschen wie Sezgin, Lau, Kaddor, etc. tun ist nichts weiter als der […]

  5. Es gibt immer mehrere Diskurse in einem Feld, nur gibt es einen (oder wenige) hegemoniale(n). Und das ist für Deutschland auf jeden Fall der der Mehrheitsgesellschaft über Rassismus, der in etwa so aussieht:
    – Biologistischer Rassismus > pfui (z.T. Sarrazin),
    – Rassismus, der mit Kulturalisierungen arbeitet > ok (Überfremdung, Bedrohung),
    – Rassismus, der wohlstandschauvinistisch agiert > ok (Unterschichtsproblematik)
    – Was Rassismus genau ist und wie er sich äußert, bestimmt die weiße Dominanzkultur.
    – Zugehörigkeit wird ebenfalls durch die weiße Dominanzkultur bestimmt
    – Alterne Stimmen werden nur zugelassen, solange sie keine System/Strukturfragen stellen, White Supremacy nicht sichtbar machen oder kritisieren, die hierarchisierende Ordnung von Rassismus anerkennen, neoliberale Logiken bedienen (dazu gehört auch die Hervorhebung von Leistung, Gleichheit, Flexibilisierung, Individualisierung, Humankapital und alles, was ihm zuträglich ist)

    Diesem Diskurs kann mensch nur entkommen, wenn er offengelegt und abgelehnt wird. Gleichzeitig wird ja damit ein Gegendiskurs geschaffen. Den es auch schon gibt und schon immer gab, der aber in seiner Wirkmächtigkeit mit weitaus weniger Ressourcen auskommen muss. Ich unterstelle Kaddor, Sezgin und anderen absolut keine Naivität (weil ich das auch gar nicht wissen kann), aber ich kann ihnen auch nicht unterstellen, dass sie es TROTZDEM so machen, wie sie es tun (weil ich das auch gar nicht wissen kann). Um persönliche Kritik geht es mir gar nicht. Sondern um die Herangehensweise. Widersetze ich mich etablierten Strukturen oder arbeite ich mit ihnen, um etwas zu verändern? Es wäre schön, wenn eben jene mit etwas mehr Ressourcen die Problemlagen von solchen mit weniger auch mit vorbringen könnten. Momentan erlebe ich viele öffentliche migrantische Stimmen eben mehr diskursfestigend, denn -kritisierend. Hier sprechen privilegierte Migrant_innen für privilegierte Migrant_innen. Ein elitäres Grüppchen. Das ist ja an sich auch nichts neues, wurden ja weiße, westliche Feminist_innen auch schon für kritisiert.

    Ich denke einfach, dass die Handlungsoption, es ginge nur mit dem System einfach eine Kapitulation vor diesem darstellt. Mehr noch: die Handlungsoption, es ginge nur mit dem System impliziert auch, wir könnten, wenn wir nur wollten, alle gleich sein. Oder sind es schon, haben nur noch nicht die richtige Strategie verfolgt. Das negiert Machtverhältnisse und deren Verwobenheit. Wenn Kaddor ein Buch herausbringt, das von einem zeitgemäßen Islam spricht und dabei muslimisch, weiblich, deutsch pointiert, muss ich mich schon fragen, ob ein zeitgemäßer Islam nur nach deutschen Kriterien und innerhalb deutscher Grenzen möglich sein soll und was eigentlich ein unzeitgemäßer Islam ist und wer darüber bestimmt, was zeitgemäß ist und was nicht. Und warum eigentlich muslimische Frauen dafür zu sorgen haben, wie ein Islam im deutschen Kontext gelebt werden kann und darf. Wenn Sezgin Herausgeberin eines Buches ist, das sich kritisch zu Sarrazins Thesen positioniert und dort nur Kulturschaffende Beiträge veröffentlichen, also VIP-Migrant_innen, die Sarrazin in seinen rassistischen Ausfällen gar nicht vorrangig meint, dann muss ich mich schon fragen, wem hier was eigentlich nützt. Polemisch ausgedrückt: diese Beiträge geben uns Sicherheit, dass die herrschende Ordnung doch irgendwie okay ist. Weil wir kritische Gegenstimmen vernehmen können (die wir selbst nicht artikulieren müssen). Wer die sind, was sie sagen, wie das historisch und strukturell zu fassen ist, danach fragt niemand. Ist ja auch bequemer.

  6. Ich glaube nicht, dass innerhalb des Systems arbeiten eine Kapitulation ist. Es ist immer ein Balanceakt. Außerhalb des Systems bist du in der Nische und bewirkst gar nichts. Man muss immer in der konkreten Situation entscheiden, was man nun tun oder lassen will.
    Und ich finde es nach wie vor falsch, den Vorwurf an die migrantisch-„bürgerlichen“ Autorinnen zu richten. Warum soll Kaddor nicht für einen deutschen Islam eintreten, wenn das ihre Ansicht ist? Und warum soll Sezgin kein Buch mit Kulturschaffenden herausgeben, wenn das ihre Szene ist? Natürlich kann man inhaltlich mit ihnen streiten, wie mit allen, je nachdem, was man selbst für eine Meinung hat. Aber dass ihre Aktivitäten zur rassistisch-deutschen Selbstvergewisserung instrumentalisiert werden, das ist die Schuld und das Problem dieser Deutschen (also ggfs. unseres) und nicht ihres. Meine ich.

  7. Ich unterstütze Nadine`s Thesen.
    Es geht doch hier um die gesellschaftliche Implikation von kulturellen Ereignissen und Erzeugnissen, die die Warenform und die Ideologie (derselben) als zentrale Momente unserer gegenwärtigen Vergesellschaftung widerspiegelt. Und dabei handelt es sich eben immer um von Eliten geführte Kulturprägungen – und das heißt nicht, wenn man darauf hinweist, dass man diesen dann unterstellt, die Beteiligten seien Akteure einer Verschwörung. Einfach, weil durch die Struktur(en) die wir haben, versucht wird, etwas zur Ware zu machen. In diesem Sinne ist es natürlich nur recht (und billig) wenn Kulturschaffende auf bestimmte Züge aufspringen und den „Push“ nutzen. Umfangreiche Problemlösungseffekte werden dadurch aber nicht eintreten.

  8. „Die sogenannten VIP-Migrant_innen (der Begriff stammt nicht von mir, sondern aus dem rassismuskritischen und postkolonialen Diskurs) sind allesamt Gewinner_innen eines rassistischen Systems.“ Dafür übrigens nochmal tausend Punkte.

  9. @Antje

    hmm. ich bin etwas ratlos, muss ich zugeben. offenbar reden wir aneinander vorbei. ich versuch’s nochmal: ich kritisiere keine personen, sondern ihr handeln und was das impliziert, als rassifizierte subjekte in einem rassistischen mehrheitsdiskurs. und wie wir ja schön sehen können, muss rassismus nicht zwangsläufig ein deterministisches moment innewohnen, wenn rassifizierte bücher über bücher veröffentlichen können, die sie als heroinen eines flackernden multikulti-lämpchens zeigen.

    anderes beispiel: ich halte nicht viel von multikulturalismus bzw. unterstütze die kritik an solchen vergesellschaftungskonzepten aus den kritischen kultur- und postkolonialen theorien. wenn ich mich jetzt hinstelle und in dieses blog „multikulti ist tot“ reinschreibe, was meinst du, wie das gelesen wird? ich werde in die konservative ecke gestellt, womöglich gefeiert und darf angie demnächst die hand schütteln. dass kritik an mich kommt, ist klar. aber ich kann mich zu dieser kritik nicht positionieren, indem ich sage: die doofe mehrheitsgesellschaft ist schuld, ihr kritiker_innen, nicht ich. ich wurde nur falsch gelesen.

    als weißes dominanzdeutsches ding kann ich nicht wüten und produzieren wie ich will, wenn ich bei den richtigen leuten was bewegen will. da muss ich mir schon 3x überlegen, wie ich meine kritik an multikulti formuliere, um richtig gelesen zu werden. und dann muss ich mir auch überlegen, was bedeutet das eigentlich, dass ich hier zwischen meinen büchern hocken kann, mir dieses wissen aneigne und abgefeiert werde von der mehrheitsgesellschaft für angeblich total kritischen und originellen thesen, die ich liefere (obwohl die schon seit mehreren jahrzehnten irgendwo geschrieben stehen). oder warum ich mich überhaupt mit multikulti beschäftige und warum ich gerade von den leuten gefeiert werde, die mir jeden tag die pest an den hals wünschen.

    das heißt nicht, dass sich niemand mehr zu irgendwas äußern soll, weil die fettnäpfchen überall lauern. aber den bezugsrahmen, den muss ich mir wohl überlegen, wenn ich meine gesellschaftliche position hinreichend reflektiere. das problem ist sicher nicht, dass es an migrantischen gegenstimmen mangeln würde oder an pamphleten zu nicht-fundamentalistischer religionsführung. sondern zu welchem zeitpunkt so etwas in umlauf von wem wofür gebracht wird. das ist kein teil einer rassistischen verschwörung, sondern divide et impera in ihrer vollen blüte.

    bascha mika hat von feminist_innen auf den deckel bekommen für ihr schrulliges, identitäres und individualistisches blabla. von anderer seite wird’s bejubelt. die frauen, was die nicht alles müssen und falsch machen. egal, wie es gedreht und gewendet wird: das ding wird immer wieder neu angepasst und erweitert. weil herrschaft flexibel ist. natürlich kann mensch sich hinstellen und ein bisschen empowern für die beherrschten hier und ein bisschen wohlfühltoleranzgedusel für die herrscher_innen da. hauptsache wir fühlen uns alle besser. komisch, dass „alle“ immer die gleichen sind. und dass sich seit jahrhunderten an rassistischen wie sexistischen normalzuständen nichts geändert hat. außer ein paar gesetze.

  10. @Nadine – Man muss aber aufpassen, dass das, was man selbst sagen will, nicht davon geprägt wird, was die „Gegner“, wenn man so will, daraus machen oder machen könnten. Ich kenne das auch zur Genüge, dass Sachen, die ich sage, falsch gedreht, von den falschen Leuten gefeiert usw. werden. Das Risiko muss man eingehen, finde ich. Die Kunst besteht darin, das einerseits zu reflektieren (und die falschen Erwartungen möglichst bei jeder Gelegenheit zu durchkreuzen), andererseits aber trotzdem nicht was anderes zu sagen, als das, wovon ich überzeugt bin. Sonst hat man nämlich wirklich kapituliert.
    Und ich würde auch nicht unterschätzen, dass das, was die „heroinen eines flackernden multikulti-lämpchens“ schreiben, durchaus bei vielen Leuten etwas in Richtung auf Verbesserung bewirkt.

  11. radia

    Vielen Dank für den Artikel, ich kann dem nur beipflichten.

    Es gibt eine Menge anderer Diskurse und Diskussionen, aber sie werden nicht gehört, weil sie nicht eingeladen werden in das System.
    Die Kaddors und Szezgins werden natürlich eingeladen weil sie hoffähig sind, indem sie über die nicht VIPs sagen, was andere lieber nicht tun, weil sie sich sonst dem Rassismus schuldig machen. Eine bequeme und leider nur schwer zu brechende Vorgehensweise.
    Wer die Artikel von Kaddor verfolgt, kann schnell erkennen, dass sie dem allgemeinen Muster folgt, genau die Dinge an MigrantInnen zu kritisieren, die wir eh alle schon kennen, genauso wird auch vom Staat eingefordert, was eh schon klar ist (Islamunterricht lehnt ja heute nicht wirklich noch jemand ab oder?). Problematisch ist dabei das Ergebnis, dass auch u.a. bei Antjes Kommentaren zu erkennen war: als Vertreterin eines deutschen Islam wahrgenommen zu werden. Nun mag Frau Kaddor das selbst sehr gut gefallen, ebenso wie ihr unermüfliches Bashing auf alle anderen als konservativ (selbst so im Bezug auf andere Meinungen in öffentlichen Veranstaltungen erlebt), sie verweist ja oft genug auf ihren LIB-Verein, als DEN liberalen Verein. Die Frage nach der Anzahl der Miglieder wird nicht gestellt und wenn, dann nicht beantwortet. Wer will schon über 50 Mitglieder reden, wenn man glauben kann, es wären 5000.
    Es gibt eine Menge kluger Migrantenköpfe, die werden aber nicht eingeladen oder gepusht, weil sie unbequem werden könnten, in den vielzähligen Podiumsdiskussionen…….

  12. @raida

    Es gibt eine Menge anderer Diskurse und Diskussionen, aber sie werden nicht gehört, weil sie nicht eingeladen werden in das System.
    Die Kaddors und Szezgins werden natürlich eingeladen weil sie hoffähig sind, indem sie über die nicht VIPs sagen, was andere lieber nicht tun, weil sie sich sonst dem Rassismus schuldig machen. Eine bequeme und leider nur schwer zu brechende Vorgehensweise.

    Ich bin mir nicht sicher ob das die Intention von Nadine ist. Du entledigst Dich bequemt der Argumentationspflicht indem Du Dich nicht mit den Positionen der beiden auseinandersetzt in dem Du sie in eine anrüchige Ecke stellt, weil sie angeblich vom Staat hoffiert werden, wegen ihren „hoffähigen“ Ansichten. Dabei könnte man sich durchaus inhaltlich und kritisch mit den Ansichten der besagten Personen beschäftigen.

    Wer die Artikel von Kaddor verfolgt, kann schnell erkennen, dass sie dem allgemeinen Muster folgt, genau die Dinge an MigrantInnen zu kritisieren, die wir eh alle schon kennen, genauso wird auch vom Staat eingefordert, was eh schon klar ist (Islamunterricht lehnt ja heute nicht wirklich noch jemand ab oder?).

    Das ist sehr wage, da hätte man gerne mehr Belege. Und das sie MigratInnen kritisiert ist nichts schlimmes, das macht Nadine auch. Vielleicht sollte man einfach ein paar Argumente zur Hand nehmen, was gemeint ist. Schließlich schreibt Kaddor zu vielen Themen.
    Ist es falsch das sie MigratInnen kritisiert, weil es nicht stimmt oder ist es falsch zu kritisieren, weil es auch der Staat kritisiert und ähnlich argumentiert?
    Und Islamunterricht lehnen immer noch sehr viele Leute ab auch wenn sie es nicht so offen sagen. Das sieht man daran, das sie öffentlich ihre Zustimmung bekunden aber in der Praxis bürokratische Einschränkung nicht abbauen oder Hinhaltetaktik fahren.

    Problematisch ist dabei das Ergebnis, dass auch u.a. bei Antjes Kommentaren zu erkennen war: als Vertreterin eines deutschen Islam wahrgenommen zu werden. Nun mag Frau Kaddor das selbst sehr gut gefallen, ebenso wie ihr unermüfliches Bashing auf alle anderen als konservativ (selbst so im Bezug auf andere Meinungen in öffentlichen Veranstaltungen erlebt), sie verweist ja oft genug auf ihren LIB-Verein, als DEN liberalen Verein.

    Das sagt mehr über den Schreibenden als über Lamya Kaddor aus. Ich persönlich halte auch nichts davon Kategorien wie Liberal oder Konservativ wertend zu benutzen. Es sind aber Bezeichnungen die legitim sind.
    Die LIB ist halt DER liberale Verein, weil es eben nur EINEN gibt. Was daraus sich entwickelt werden wir sehen. Dieser Verein ist noch jung. Es bringt nichts den Vorwurf bestimmter Kreise, das die Islamischen Verbände nicht die Mehrheit der Muslime repräsentieren an die LIB weiterzugeben.
    Schon sehr merkwürdig, ein Instrument des Staates zu benutzen, wenn es gerade passt, sonst aber klagen, das sie keine anderen Migranten einladen.

    Es gibt eine Menge kluger Migrantenköpfe, die werden aber nicht eingeladen oder gepusht, weil sie unbequem werden könnten, in den vielzähligen Podiumsdiskussionen…….

    Unbequeme kluge Migrantenköpfe werden auch von Migranten nicht eingeladen. Immer nur zu jammern, dass der Staat oder andere Stellen Migranten nicht wahrnimmt wirkt langsam nicht mehr. Das stimmt zwar, aber was haben den die anderen Migrantenvereine (und Islamverbände) denn gemacht bist jetzt? Sie schmoren in ihrem eigenen Saft und bringen es nicht fertig in Leute zu investieren oder Akademien aufzubauen.

  13. sorry hab mich verschrieben, sollte radia heißen.

  14. Serdar, ich gebe zu, ich kenne die Strukturen muslimischer Verbände und migrantischer Vereinigungen nicht, möchte aber kurz anmerken, dass es manchmal berechtigte Gründe gibt, sich abzuschotten und im eigenen Saft zu schmoren. Oder dass keine Investitionen auch auf Geldmangel zurückzuführen sind, die meisten werden ja staatlich bezuschusst. Und hier wird eben unterschiedlich Geld gegeben. Ich weiß, dass der TBB sehr umtriebig ist und auch ziemlich kritisch unterwegs ist, aber der hat immernoch eine ganz andere Stellung als Menschen, die mehrheitsgesellschaftliche Perspektiven bedienen, sowie Kaddor und Sezgin (und andere) dies tun. Ich finde radias Kritik gar nicht so unberechtigt. Sie_Er wird schon ihre_seine Gründe haben, warum sie_er zu diesen Urteilen kommt. Zum Rest: ja.

  15. Sakine

    Ich finde den Artikel sehr gelungen und ich muss sagen, dass der Artikel im weitesten auch ohne die Belege auskommt, sofern Mensch die genannten Personen, wie auch den genannten Artikel von Lau kennt. Frau muss sich mal das Resumé Laus` auf der Zunge zergehen lassen: Sie läßt ihre Tochter (widerwillig) weiterhin GNTM gucken, weil ihre Tochter zur Mittelschicht gehört und sich nie werde so behandeln lassen, wie die Personen in der Sendung! Von Jörg Lau waren wir ja schon einiges gewohnt, jetzt aber auch noch seine Frau!
    Mir ist ehrlich gesagt die Spucke weg geblieben bei diesem Resumé! Und das in der Zeit!
    Außerdem stimmt es doch gar nicht, dass der LIB e.v. der einzige liberal muslimische V erein ist. Diese Etikettierung, insbesondere Selbstetikettierung gibt es schon länger! Es kann sein, und das müsste evtl. nachgeprüft werden, dass es keinen Verein gibt, der sich das hat eintragen lassen, aber liberale, insbesondere unter Muslimen, die sich auch so genannt haben, gab es zu mindest in meinem umfeld schon seit dem ich denken kann. Auch die großen islamischen Verbände unterscheiden sich doch auch darin: Ihre Interpretationen des Korans und der islamischen Vorschriften sind zwar sehr nah beieinander. Jedoch unterscheiden sie sich eben darin, inwiefern sie anderen gegenüber auftreten, also wie liberal sie sind….

  16. […] Heute morgen las ich diesen Artikel von Katrin Schuster, die sich berechtigterweise über die rassistischen wie klassistischen/sozial- und wohlstandschauvinistischen Biases im Artikel von Mariam Lau in der Zeit echauffiert. Da es ja zur Zeit wieder in Mode ist, über Frauen und ihr Tun zu urteilen (statt sich mit Systemfragen zu beschäftigen) und das Wort Macht wieder ungünstige Konnotationen bekommt, passt auch der Artikel von Mariam Lau ganz gut rein. -> HIER […]

  17. […] auf der Tagesordnung stehen. Auf diese Problematik sind an anderer Stelle schon sehr ausdrücklich Nadine Lantzsch und Sakine Subasi-Piltz eingegangen – und haben damit auf eine Sachlage hingewiesen, die […]

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