die schrank-heten.

„Outing“ ist so ein Begriff, der perfekter Spiegel einer heteronormativen Gesellschaft ist. Ich verwende ihn allerdings gern, wenn es darum geht zu erklären, dass Nichtheterosein dazu führt aus einer heteronormativen Gesellschaft raus(out)zufallen – Out zu sein heißt bezüglich bestimmter Privilegien Out-sein

Zitat von: Don’t degrade Debs Darling – In Love with Critical Hetness

dieser tage wurde mal wieder viel darüber diskutiert, wie sich heten solidarisch verhalten können. es folgten seitenweise abhandlungen_absolutionen_rechtfertigungen darüber, dass doch „alle“ „okay sind“, so wie sie sind und dass das eigene hetensein irgendwie auch anerkannt werden müsste. wenn mensch das normale sichtbar macht, benennt, das sich häufig unter einem deckmantel von selbstverständlichkeiten verbirgt, also unsichtbar ist, weil es unbenannt bleibt, ständig weg_genannt wird, folgt großes getöse. es mache keinen unterschied oder es solle doch keinen unterschied machen, ob. und mensch könne ja auch nichts dafür, dass (hier bitte biologismen und ursprungs_natürlichkeits_erzählungen der wahl einsetzen) und überhaupt sei liebe/romantik/sexualität und das zurschaustellen ja was (hier bitte biologismen und ursprungs_natürlichkeits_erzählungen der wahl einsetzen).

das ding ist: es macht einen unterschied. und es ist „natürlich“ nichts einfach so. da.

es hat mich überhaupt nicht verwundert, dass sich viele heten auf einmal in einer rechtfertigungsposition sahen oder das sichtbarmachen ihrer selbstverständlichkeiten unangenehm fanden. diese rechtfertigungsposition, das erklären, warum das eigene tun irgendwie doch „normal“ sei, anerkannt werden müsste ohne wertungen – das kenne nicht nur ich zur genüge. ich gratuliere also zum punktuellen gefühl des bloßgestelltseins, des kurzzeitgen herausfallens aus der norm, des um anerkennung ringens. ein klick auf das x des geöffneten browser-tabs und zurück in die unsichtbarkeit. nicht nur ich suche dieses x seit nun fast 10 jahren vergeblich.

in bezug auf heterosexismus leben menschen, die sich auf der anderen seite der norm wiederfinden (müssen) in einem permanenten widerspruchsfeld von un_sichtbarkeit. unsichtbar auf den ebenen von gesellschaftlicher struktur und diskurs, wenn die lebensrealität_diskriminierung stets ent_erwähnt wird oder ein schützendes assimilieren sein muss, in die „unsichtbarkeit“ schlüpfen sein muss, um nicht gewalt ausgesetzt zu sein. zweifelsohne kann diese „unsichtbarkeit“ nicht für alle von dauer oder überhaupt sein, denn heterosexismus findet in einem zusammenspiel von hetera_zwei_cis_genderung statt. wer sich (punktuell) assimilieren kann, lebt in einem (punktuellen) zustand von verweigert_werden.
sichtbar dann, wenn sichtbar gemacht – durch das selbst oder (gewaltvoll) durch andere. wer un_sichtbar ist, ist ausgesetzt. ausgesetzt den gesellschaftlichen zu_richtungsprozessen in bezug auf heteronormativität. es ist ein verhandeln über meine position, ein fremd_regulieren meines lebens. ein prozess ohne die möglichkeit, dass ich darauf zugreifen oder eingreifen könnte.

out & proud kann hauptsächlich in geschützteren räumen stattfinden, räume in denen heteronormativität in abgeschwächter form ihren niederschlag findet und doch nicht gänzlich ausradiert sein kann, denn menschen sind „soziale wesen“, wie es so schön heißt und mit hetero(cis)sexistischer sozialisation konfrontiert. out & proud kann auch da sein, wo mich die hetero(cis)sexistische gesellschaft mich lässt. mir einen raum zugesteht, in dem mich mein „geandert_werden“ zeigen darf. die rahmenbedingungen dafür (und für das, was ich zeigen darf) setze nicht ich, sie werden mir vorgegeben. ein zugeständnis der norm. „hier, ein bisschen taschengeld, kauf dir was schönes. hier ist eine liste von dingen, die du dir kaufen darfst“.

ich lebe in einem zwischenraum von un_sichtbarkeit. ich kann nicht darüber entscheiden, was von mir un_sichtbar ist, wann ich un_sichtbar bin. meine schützende decke kann jederzeit weggerissen oder wieder über mich rüberlegt werden. und gleichzeitig ist diese schützende decke doch nur schein-schutz. scheinschutz, wenn dieser schutz auch bedeutet, keine erwähnung zu finden, oder ein übermichentscheiden. ich kann nicht gar nicht sagen, wann und ob diese un_sichtbarkeit mir hilft, besser in der welt klarzukommen. klarzukommen mit dieser heterosexistischen projektionsfläche, die ich bin.

heten sind auch un_sichtbar. sichtbar für mich jederzeit. ich stehe meistens außen und kann sie mir ansehen. werde gezwungen mir anzuschauen, was normal, lebens- und erstrebenswert ist. sichtbar für die gesellschaft. aber nicht als hetero, sondern als „normal“, als selbstverständlich, als unhinterfragbar „einfach so da“.

es kommt also nicht nur darauf an, wer worauf blicken kann, wer was wann un_sichtbar machen kann, sondern was dieses dialektische wechselspiel von un_sichtbarkeit mit einer_m macht. und das ist der unterschied, der besteht. der uns nicht irgendwie alle ein „okay sein“ „lebenswert“ „menschlich“ zugesteht, sondern nur wenigen.

meine erfahrungswelt mit coming out spielt sich auch in herkunftsfamilien ab. seitdem ich mich vor knapp 10 jahren vor meinen eltern „sichtbar“ machte, mich outete, ist dieser teil meines lebens für meine eltern unsichtbar, von ihnen unsichtbar gemacht, nicht anerkannt – höchstens mal toleriert. ich kenne menschen, die wurden von ihrer herkunftsfamilie vor die tür gesetzt, nachdem sie sich outeten. mir blieb das zum glück erspart, ich wurde lediglich in die unsichtbarkeit verbannt. die bemerkungen meiner eltern, die mich seitdem begleiten, klingeln auch nach jahren noch in meinen ohren. auch die nicht_bemerkungen. all das, was in dieser zeit ungesagt, unzugestanden, ent_erwähnt blieb ist für mich genauso schmerzhaft wie die homophoben und heterosexistischen sprüche.

in meiner ersten beziehung mit einer frau, die ich mir als schutzraum wünschte, ja auch brauchte, war ich ständig un_sichtbar. am tisch wurde ich einfach weg_erwähnt, als sie von ihren großeltern mit der frage bedrängt wurde, warum sie nicht wieder ihn zurücknehmen wolle. was sie denn mit einer frau wolle. ich war in dieser zeit bedingt anwesend. ich war draußen und durfte miterleben, mir die gewalt abholen, aber „so richtig“ anwesend durfte ich nicht sein. ich war sichtbar als schablone, aber nicht als ich. und so auch in öffentlichen räumen, bei jedem spruch, den ich gedrückt bekomme, bei jeder frage, wer mann/frau in der beziehung ist, wie mein sexleben aussehe, in jeder situation, in der ich ausgesetzt bin und ein teil von mir zur disposition steht. in der ich folie bin für die heterosexistischen handlungsweisen von heten und gesellschaft.

out sein bedeutet (dr)außen sein. und immer dann hereingeholt zu werden, wenn die heterosexistische gesellschaft oder heten selbst es für angemessen erachten, als temporäre anerkennung, aber dennoch als spielball.

in dem moment, in dem es mal andersherum passiert. die norm diejenige ist, die hereingeholt wird, die sich ausgesetzt sieht, in diesem moment erleben heten, wie es vielleicht aussehen kann, wenn mensch ausgesetzt ist. den blicken, bewertungen, sprüchen, der gewalt und der normalität, die damit einhergeht. nicht ich, nicht individuell, sondern ihre position zu sein, die ihnen zugewiesen wurde. der unterschied, der besteht, ist die möglichkeit des opt-out, das x am browserfenster, die inanspruchnahme von privilegien, die möglichkeit heterosexismus zu re_produzieren, um klar zu machen, was gesellschaftlich anerkannte norm und was temporär mögliche norm eines antisexistischen schutzraumes ist. die möglichkeit mit dem hereingeholt werden, keine gewalt zu erleben, sondern lediglich sichtbarkeit. und sie weinen dennoch darüber. rechtfertigen sich, nehmen unendlich viel raum ein, reden von verboten, von einschränkung ihrer lebensqualität. dabei ist es nur eine einschränkung ihrer selbstverständlich erlebten normalität. eine einschränkung, die nur temporär sein kann. temporär, weil machtverhältnisse nicht gleich verlaufen, sondern asymmetrisch.

und selbst in dieser situation des kurzzeitigen hereingeholt werdens, die auch gleichzeitig einen wunsch nach solidarität und verantwortungsübernahme markiert, den wunsch nach „wir kämpfen seite an seite“, die aufforderung „come out of your heterosexist closet“, besitzen sie noch die dreistigkeit, heterosexismus zu re_produzieren, lebensrealitäten wieder unsichtbar zu machen und gewalt auszuüben.

unter diesen gesichtspunkten ist es mir völlig unverständlich, wie menschen auch nur eine sekunde lang die notwendigkeit von schutzräumen und separatistischen politiken in frage stellen können.

es gibt heten in meinem umfeld, die tun dies nicht. die bekommen es hin, dieses hereingeholt werden als angebot zu betrachten und die ihnen ausgestreckte hand nicht wegzuschlagen. die zeigen, es ist zwar nicht so leicht, wie hete es sich vorgestellt hat, aber es ist möglich. unterstützungsarbeit. verbündetsein. die unterschiedlichen un_sichtbarkeiten zusammenzubringen und gemeinsam out zu sein im kampf gegen hetero(cis)sexismus.

solange dieses gemeinsam out sein für viele heten jedoch bedeutet, dass die geanderen temporär hereingeholt werden für die herstellung von weiterer heterosexistischer un_sichtbarkeit: just stay in your heterosexist closet. eat your recognition-cookies by yourself! and: back the fucking off!


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3 Antworten zu „die schrank-heten.“

  1. […] degrate Debs, Darling! Un-be-dingt auch die Fußnoten beachten! Zum gleichen Thema schreibt Nadine auf Medienelite und muss wieder einmal feststellen: “wenn mensch das normale sichtbar macht, […]

  2. […] Die Schrank-Heten auf Medienelite […]